Tarzan 04 - Tarzans Sohn
marschierte ständig unter den Bäumen auf und ab, statt sich angesichts der Gewaltmärsche der bevorstehenden Flucht etwas auszuruhen. Hanson lag in der Hängematte und rauchte. Sie redeten wenig. Korak lag ausgestreckt auf einem Zweig im dichten Laub über ihnen. So verging der restliche Nachmittag. Er wurde hungrig und durstig. Da er bezweifelte, daß einer der Männer das Lager vor dem Morgen verlassen würde, zog er sich zurück, jedoch nach Süden, denn dort schien sich das Mädchen am ehesten zu befinden.
Meriem schlenderte nachdenklich im Mondschein durch den Garten neben dem Bungalow. Sie litt noch unter der ihrer Ansicht nach ungerechten Behandlung, die Bwana dem ehrenwerten Morison Baynes hatte zuteil werden lassen. Man hatte ihr auch keine Erklärung geliefert, denn sowohl Bwana als auch My Dear hatten ihr die Erniedrigung und den Schmerz bei einer Enthüllung der wahren Absichten von Baynes Antrag ersparen wollen. Sie wußten im Gegensatz zu ihr, daß der Mann nicht die Absicht hatte, sie zu heiraten, weil er sich sonst direkt an Bwana gewandt hätte in der klaren Erkenntnis, daß dieser keine Einwände erheben würde, falls Meriem wirklich etwas für Morison empfand.
Sie liebte beide und war dankbar für alles, was sie für sie getan hatten, doch tief in ihrem Inneren loderte eine wilde Freiheitsliebe, die die Jahre schrankenloser Ungebundenheit im Dschungel ihr eingeimpft hatten, so daß sie jetzt zu einem Wesenszug von ihr geworden war. Seit ihrer Ankunft im Bungalow von Bwana und My Dear kam sie sich zum ersten Mal wie eine Gefangene vor.
Wie eine eingesperrte Tigerin wanderte das Mädchen innerhalb der Umzäunung hin und her. Einmal blieb sie kurz am äußeren Zaun stehen und neigte lauschend den Kopf zur Seite. Was war das für ein Geräusch? Es klang wie das Tappen nackter menschlicher Füße außerhalb des Gartens. Sie lauschte einen Augenblick. Das Geräusch wiederholte sich nicht. So nahm sie ihr ruheloses Umherwandern wieder auf. Am anderen Ende des Gartens machte sie kehrt und kam zum Ausgangspunkt zurück. Auf dem Gras in der Nähe der Büsche, die den Zaun halb verbargen, lag, im Mondschein deutlich erkennbar, ein weißer Umschlag, der noch nicht dort gelegen hatte, als sie vorhin an dieser Stelle kehrt gemacht hatte.
Sie blieb stehen, lauschte wieder und suchte nach einer Witterung – mehr als je zuvor wieder Tigerin: gespannt, bereit. Jenseits der Büsche hockte ein halbnackter, schwarzer Bote und lugte durch die Blätter. Er sah sie zu dem Brief gehen. Sie hatte ihn entdeckt. Da erhob er sich ruhig, folgte dem Schatten der Büsche, die zum Pferch führten, und war bald allen Blicken entschwunden.
Meriems geübte Ohren hörten jede seiner Bewegungen. Sie unternahm keinen Versuch, den Verursacher festzustellen, denn sie ahnte, daß es ein Bote des ehrenwerten Morison gewesen war. Sie bückte sich, hob den Brief vom Boden, riß ihn auf und konnte ihn beim hellen Mondschein mühelos lesen. Er stammte von Baynes, wie sie vermutet hatte.
›Ich kann nicht weggehen, ohne dich noch einmal zu sehen‹, las sie. ›Komm morgen früh ganz zeitig zur Lichtung, um mir Lebwohl zu sagen. Aber komm allein.‹
Es folgten noch einige Worte, die ihr Herz schneller schlagen ließen und eine glückliche Röte auf ihre Wangen zauberten.
Kapitel 20
Es war noch dunkel, als der ehrenwerte Morison Baynes zum Ort des Stelldicheins aufbrach. Er bestand darauf, einen Führer mitzunehmen, und begründete dies damit, er sei nicht sicher, ob er den Weg zu der kleinen Lichtung allein finden werde. In Wirklichkeit überstieg schon der Gedanke an den einsamen Ritt durch die Dunkelheit vor Sonnenaufgang seinen Mut, und er wünschte sich Gesellschaft. Deshalb ging ein Schwarzer zu Fuß vor ihm her. Hinter und über ihm folgte Korak, den der Lärm im Lager geweckt hatte.
Es war neun Uhr, als Baynes auf der Lichtung die Zügel anzog und stehenblieb. Meriem war noch nicht da. Der Schwarze legte sich nieder, um auszuruhen. Baynes hing träge im Sattel. Korak streckte sich behaglich auf einem hohen Ast aus, wo er alles unter sich beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden.
Eine Stunde verging. Baynes wurde langsam nervös. Korak hatte sich schon zusammengereimt, daß der junge Engländer hergekommen war, um jemand anders zu treffen, auch hegte er keine Zweifel über die Identität dieser Person. Der Killer freute sich sehr, daß er das zierliche weibliche Wesen bald Wiedersehen würde, das ihn so
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