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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Lüpkes
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Staatsanwaltschaft. Und da bin mich mir nicht wirklich sicher, ob das nicht eher schadet als nutzt. Mehr kann ich Ihnen erst sagen, wenn Sie hier sind. Schaffen Sie es bis 18   Uhr?«
    »Auf jeden Fall!«
    Axel Sanders drückte das Gespräch weg, setzte sich wieder auf den Platz und seine Füße auf die Pedale. Selten hatte man ein Tretboot schneller das Große Meer überqueren sehen. Zwei Stunden später war er unterwegs nach Schwerin.
    Mit seinem Motorrad.
    Es erschien ihm das einzig Richtige zu sein.

|223| Die Vierzig
steht für die Zeit, in der sich der Mensch in schlimmen Zeiten bewähren muss
    Wenckes Finger fühlten eine vertraute Windung, ein verschnörkeltes Metallgestänge, das sich bis zum gitterartigen Lattenrost ineinander wand. Die quietschende Unterlage, auf der sie lag, seit sie wieder zu sich gekommen war, musste also ein altes Ikea-Bett sein, genau so eines hatte sie als Jugendliche in Worpswede gehabt. In den 90ern waren die meisten dieser Modelle wegen Altersschwäche auf dem Sperrmüll gelandet, dieses musste eines der letzten überlebenden Exemplare sein. Wencke wusste, wenn sie lang genug darüber nachdachte, würde ihr der Name des Möbelstücks wieder einfallen. Und Zeit zum Nachdenken hatte sie viel zu viel.
Ingeborg
?
Ingolf
? Irgendwas mit
Ing

    Ihr Gefängnis könnte im Keller eines leer stehenden Hauses sein. Vielleicht auch der Nebenraum einer alten Lagerhalle. Alle geschätzten fünf Minuten setzte sich irgendein Gerät nebenan mit Scheppern und Klopfen in Gang, eventuell ein alter Boiler, der für warmes Wasser und eine altersschwache Heizung sorgte. Was immer der Krachmacher erhitzte, bei Wencke kam nichts davon an, hier drinnen war es kalt und feucht. Keller oder Lager – egal, fest stand nur, dass keine Menschenseele hier war und der Raum weder Fenster noch sonst eine Lichtquelle besaß.
    |224| Um sich abzulenken, stellte sie sich vor, dass draußen noch immer Hochsommer herrschte und die Sonne ihren Beitrag zur heiteren Julistimmung leistete. Was Emil wohl gerade machte? Mit Ricarda durch das Wattenmeer pflügen? Mit Axel im Garten Fußball spielen? Oder buk ihm Kerstin gerade seinen Lieblingskuchen – mit Zitronenguss? Wenn er den aß, hingen ihm abends die Krümel bis runter zum Bauchnabel. Die Erinnerung daran wühlte in Wencke. Schnell an etwas anderes denken. An   … Mist. Das Blöde an dieser Finsternis war, dass sie einen geeigneten Hintergrund bot, an Dinge zu denken, die nicht hier waren, wie eine Filmleinwand erschien ihr die Vision vom glücklichen Emil zum Greifen nah. Und dabei war alles so weit weg.
    Hier war es dunkel. Hier musste sie sich mit den Händen orientieren. Oder mit Hilfe der Geräusche, die an einer Wand geschluckt wurden und von der anderen widerhallten. Ein Sinn war komplett ausgeknipst. Hier war sie blind.
    Genau wie Kerstin. Sie hatte mit dieser Frau vorübergehend eine weitere Gemeinsamkeit als nur die Liebe zum selben Mann. Gern hätte Wencke darauf verzichtet. Auf die Blindheit und die Liebe und den ganzen Mist. Was nutzte ihr das hier? Sie war allein. Ihr war kalt. Sie hatte Angst.
    Wenn sie dann doch auf der durchgelegenen Matratze einschlief, was unter diesen Umständen nur schwer möglich war, träumte sie wirres Zeug von Motorrädern, Pistolenmündungen oder Rasenmähern. Dann war sie fast froh, wenn sie wieder aufwachte und feststellte, dass sie nach wie vor eine Gefangene war, die weder wusste, wer sie eingesperrt hatte und was das alles sollte, noch wie lange man sie hier vermodern lassen würde.
    Wencke tröstete sich kurzfristig mit dem Gedanken an das, was sie bislang schon überstanden hatte. Hey, sie war Wencke Tydmers, die abgebrühte Hauptkommissarin und Profilerin, die immer mal wieder festgesetzt wurde und sich dennoch nie |225| unterkriegen ließ. Blöderweise verhalf ihr diese Strategie nur begrenzt zum Optimismus. Wenn das Ding nebenan wieder klackerte, pochte, randalierte und ihr gleichzeitig die Feuchtigkeit durch alle Hautporen kroch, dann heulte sie auch schon mal ein bisschen. Die Verzweiflung fühlte sich rotzig und wund an. Und sie kostete Kraft. Nach einer solchen Heulattacke stand Wencke noch näher am Abgrund.
    Am meisten beängstigte sie, dass sie sich nicht mehr erinnern konnte, was genau eigentlich geschehen war. Sie war in diesem Garten erwischt und von einem harmlosen älteren Mann niedergeschlagen worden, den Gauly und Haigermann glauben ließen, Wencke sei eine gemeingefährliche Person.
    Die

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