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Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Titel: Tempel der Träume - Der Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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ein.
    Auch Kiara wog ihr Queue in der Hand, als würde sie ein wertvolles Stück Gold auf sein Gewicht abschätzen, schließlich begann sie. Der Anstoß klappte ganz gut, aber nicht gut genug.
    Kiara erklärte Lea, was sie mit dem Stoß eigentlich beabsichtigt hatte und dass nun Holger die Chance bekam, als Erster eine der Kugeln in der Seitentasche zu versenken.
    Doch er stieß nicht zu. „Worum spielen wir eigentlich?“, fragte er zuerst. Das war seine Chance. „Um ein Essen?“ Er gab sich Mühe, ganz locker zu klingen. Locker und lässig.
    „Ein Essen? Okay“, stimmte Kiara ein.
    „Nudeln. Ich mag Nudeln mit thailändischer, scharfer Soße“, fügte Lea hinzu. „Können wir Nudeln essen?“
    Ein Date zu dritt war nicht genau das, was Holger beabsichtig hatte, aber besser als gar nichts. „Das kommt darauf an, ob Kiara verliert. Dann muss sie nämlich kochen und kann auch Nudeln machen. Wenn ich verliere, führe ich sie in ein Restaurant aus. Euch, meine ich“, korrigierte er sich hastig, „euch natürlich.“
    „Okay, aber nur, wenn es dort kein Fleisch gibt. Ich esse kein Fleisch.“ Lea sah ihn herausfordernd an.
    „Okay, dann ein Essen ohne Fleisch.“
    Holger holte zum Stoß aus, war sich aber nicht mehr ganz so sicher, ob die Kugeln auch tatsächlich aufgehört hatten zu rollen und still lagen. Sie tanzten vor seinen Augen hin und her, als wären sie betrunken. Oder als wäre er betrunken.
    Er richtete sich auf, räusperte sich kurz, dann beugte er sich erneut hinab. Sie schienen immer noch ungeniert hin und her zu rollen. Gegenüber am anderen Ende des Tisches stand Kiara und grinste. Er stieß zu. Daneben. Er hatte Glück, dass er kein Loch in den Tisch gerammt hatte.
    Lea lachte auf. „Du verlierst, ganz sicher. Hurra, wir gehen essen.“
    „Wer geht essen?“, fragte auf einmal Anäis, es kann aber auch Agathe gewesen sein, jedenfalls eine der Zwillingsschwestern von Samira.
    „Holger muss uns zum Essen einladen, wenn er verliert. Und er kann gar nicht spielen“, freute sich die Zehnjährige.
    „Ich bin dabei“, erwiderte Anäis/Agathe und holte ebenfalls ein Queue aus dem Schrank. „Wir spielen in Teams. Ich bin mit Kiara.“
    „Abgemacht.“ Kiara klatschte in die Hand der anderen und setzte zum Stoß an.
    Holger richtete sich wieder auf und lehnte sich an sein Queue. Das lief mal wieder überhaupt nicht nach Plan.
     
    Während in dem Jugendclub die Party tobte, Samira von einem Freund und Familienmitglied zum anderen eilte und ihnen ihre Begeisterung über die Reise zum wiederholten Male ins Gesicht strahlte, saß in einer großen Wohnung in der Mitte Berlins Myrtel Ragewitz und haderte mit ihrem Schicksal. Sie hatte das Gefühl, dass in ihrem Leben alles schieflief, was nur schieflaufen konnte. Ihr Job war nicht sicher, obwohl sie ihn mit einer guten Ausrede zu dem angeblichen Einbrecher noch einmal retten konnte. Sie hatte ihrem Chef erzählt, ein anonymer Anrufer hätte sich zu dem Einbruch bekannt, er wollte allen einen Schrecken einjagen. Und da nichts gestohlen worden war, hatte der Alte die Sache wirklich zu den Akten gelegt. Doch die Reparatur ihres Autos würde ein Heidengeld kosten, das sie leider nicht besaß. Sie würde bald die Miete für diese Wohnung nicht mehr aufbringen können. Ihr Mann wohnte bei einer anderen Frau und krank war sie obendrein.
    Sie stand ächzend auf und ging in das Arbeitszimmer, das seinen Namen eigentlich nicht verdiente, öffnete die Balkontür und trat hinaus ins Freie. Es war kalt draußen, aber klar. Sie setzte sich auf den Stuhl, auf dem noch das Laub vom Herbst lag, aber das störte sie nicht. Es war weich. Dann blickte sie hinaus auf die Stadt, die sich brodelnd vor ihr ausbreitete. Viele Menschen waren unterwegs, liefen aus oder in Bars, Restaurants und Kneipen. Auf den Straßen floss der Verkehr eifrig dahin, die Lichter in den Wohnungen und von den Laternen glitzerten in der Dunkelheit wie Diamanten. Es lag ein beständiges Rauschen in der Luft, das von der Stadt stammte, immerwährend, sogar in der dunkelsten Stunde der Nacht. Und das Licht ging niemals aus, es schwebte schimmernd wie Nebel zwischen den Häusern und über dem Asphalt.
    Wie konnte es sein, dass sie sich in einer Stadt voller Menschen so allein fühlte?
    Sie sah hinauf in den Himmel. Er war sternenklar, doch nur wenige Sterne schafften es, mit ihrem Funkeln die Lichtglocke zu durchdringen. Ein einzelner Stern blinkte genau über ihr.
    „Hallo Mama, hallo Papa, seid

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