Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
Gefühl, dass sich die Schmerzen in seinem Bein seit ein paar Tagen stark verringert hatten. Nicht mehr lange, dann konnte er mit dem Training beginnen.
Es war Professor Gold, der ihn anrief, dessen Stimme jedoch dieses Mal alles andere als goldig klang.
„Wir müssen uns unterhalten“, sagte der Arzt.
Wiederum ein paar Straßen von dem Apartment entfernt, Richtung Friedrichshain, saß Myrtel Ragewitz an ihrem Wohnzimmertisch. Ihre rechte Hand hielt ein paar Karten, Tarotkarten. Neben ihrer linken Hand stand ein halbvolles Weinglas, daneben eine fast leere Rotweinflasche. Das Zimmer sah allerdings nicht gerade magisch aus, es brannte nicht einmal eine Kerze.
„Wie wird meine Krankheit verlaufen? Werde ich sehr leiden?“, murmelte sie in die Luft und die Karten an. Sie waren uralt, sie hatte sie in einer Kiste im Keller gefunden, als sie auf der Suche nach Umzugskartons war, in die sie Dieters Sachen packen konnte.
Mit sanft klopfendem Herzen zog Myrtel zwei Karten, die ihr eine Antwort auf ihre Frage geben sollte. Für einen Augenblick hielt sie die Luft an, dann sah sie auf die Auflösung. Die Karten zeigten den „Tod“ und „Die Liebenden“.
Noch einmal mehrere Straßen weiter, in einem kleinen Zimmer einer Wohngemeinschaft mit drei jungen Männern in Berlin-Lichtenberg, saß Holger Zinnleben an seinem Computer. Doch dieses Mal beschäftigte er sich nicht mit einem Computerspiel, sondern durchforstete das Internet. „Wie werde ich selbstsicher und eloquent?“, lautete eine der Seiten, die er aufgeschlagen hatte. „Selbstbewusst in zehn Tagen“, hieß eine andere. Bei der Seite „Mutig und risikofreudig durch Selbsthypnose“ blieb er schließlich hängen und begann zu lesen.
KAPITEL 2
Die Schwächen der Männer
I
„Macht endlich das verdammte Tor zu! Hier drinnen zieht’s wie Hechtsuppe! Und dann brauche ich jemanden, der mir die Pinsel reicht! Charly, Thilo! Wenn sich mal einer von euch bequemen würde? Aber flott, bitte ich mir aus!“
Die angenehm tiefe, volltönende, wenn auch hörbar gereizte Stimme, die durch das Schiff der malerischen, kleinen Feldsteinkirche schallte, verfehlte ihre Wirkung nicht, denn gleich darauf fiel das massive Holzportal des Gebäudes knarrend ins Schloss. Doch niemand erschien.
Felix Altmühl warf einen mürrischen Blick auf das Tor. So hatte er sich das nicht vorgestellt, aber seine Angestellten ließen sich anscheinend nicht beim Genuss ihrer Zigaretten stören und machten keinerlei Anstalten, seiner Anweisung nachzukommen. Spätestens zum Feierabend würde er der saumseligen Bande ordentlich die Leviten lesen. Auf die nächste Gehaltserhöhung konnten die bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten!
Bevor Felix ein weiteres Mal seine Stimme erheben konnte, um unmissverständlich seinen Unmut zu äußern, öffnete sich das Portal doch noch einen Spalt und ein junger Mann steuerte direkt auf ihn zu.
Sein Gesicht entspannte sich ein wenig. Wenigstens der Praktikant scheint sich der Ehre bewusst zu sein, für mich arbeiten zu dürfen, sagte sich der anerkannte Restaurator, dessen Werkstatt weit über Deutschland hinaus in Fachkreisen einen sehr guten Ruf besaß, so dass er sich die Objekte aussuchen konnte und sich Studenten darum rissen, von ihm zu lernen. Ganz im Gegensatz zu seinem Altgesellen und den zwei weiteren Gesellen, die er beschäftigte. Hallodris allesamt!
„Durch die Scheinwerfer ist es extrem warm hier drin“, sagte der Praktikant, was einen erneuten missbilligenden Gesichtsausdruck bei Felix Altmühl verursachte. Konnte der Junge keine Rücksicht auf ihn und seine angeschlagene Gesundheit nehmen? Felix fröstelte, schlang den Seidenschal fester um seinen Hals und knöpfte sich den Kittel bis zum Kinn zu, den er über seinem Hemd und dem dunklen Anzug trug. Vermutlich brütete er wieder etwas aus.
Er stieg eine Sprosse auf der Leiter empor, zuckte die Achseln und verzog geringschätzig das Gesicht. Das Altarbild mit dem Triptychon, das Motive der Geburt, Kreuzigung und Himmelfahrt Jesu darstellte, war zwar in seiner Schlichtheit und Farbgebung recht eindrucksvoll, aber trotz allem nur das Werk eines unbekannten klassizistischen Malers. Dass es jetzt wieder zu Ehren kommen sollte, statt in einem unterirdischen Gewölbe zu verstauben, lag einzig und allein an der Liebhaberei des Kultursenators, dessen Steckenpferd die religiöse Malerei war. Der hatte das Altarbild zufällig in einem Gelass unter der Sakristei ausgegraben
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