Teufelsmond
Wir zwei sollten reden. Aber allein. Wir treffen uns später draußen.»
Sein Gesicht war finster, als er das sagte. Dann hob er die rechte Hand und bekreuzigte sich. Karla tat es ihm nach, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihr Herz schneller schlug und sich Unbehagen in ihre Seele schlich.
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Zwölftes Kapitel
Ausgerechnet an diesem Abend, da Karla vor Neugier fast verging, wurde Else nicht müde. Von was auch?, dachte Karla. Hatte sie doch den ganzen Tag faul in der Küche gehockt und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Aber Karla musste unbedingt mit Pater Fürchtegott allein sprechen. Sie nahm sich ihren Umhang und legte ihn um die Schultern.
«Wo willst du hin bei Nacht und Nebel?», erkundigte sich Else.
«Ich muss ein wenig frische Luft schnappen. Ich habe Kopfweh.»
Noch ehe Else etwas erwidern konnte, war Karla schon durch die Küchentür hinausgeschlüpft.
Es war kalt draußen, so kalt, dass der Atem vor ihrem Mund weiße Wolken bildete.
Zum Glück musste sie nicht lange auf den Pater warten. Als sie unter der Linde von einem Bein auf das andere trat, um sich die Füße zu wärmen, hörte sie draußen, auf der Dorfstraße, seine Schritte.
Sie eilte zu dem kleinen Tor, welches direkt vom Hof auf die Gasse führte. «Pater, hier bin ich.»
Fürchtegott fuhr herum.
«Die Else wollte nicht zu Bett gehen. Also, Pater, wo wart Ihr heute? Was habt Ihr herausgefunden?»
«Gleich, Karla. Nicht so eilig. Sage mir erst, wie es dem Dippel geht.»
Karla zuckte mit den Schultern. «Etwas besser, glaube ich. Er hat einen ganzen Teller Rindssuppe gegessen und danach sogar ein wenig in der Heiligen Schrift geblättert.» Karla senkte die Stimme. «Er scheint nicht sehr beliebt zu sein in Alwerode.»
«Wie kommst du darauf?»
«Soweit ich weiß, hat er keinen Besuch bekommen. Und wenn ich es mir jetzt recht überlege, so ist das merkwürdig. Bei uns im Weiler wären die Frauen sofort zum Pfarrer gerannt, um ihm Geselchtes oder Gebackenes zu bringen. Auf die Art wollten sie sich einen guten Platz im Himmel sichern. Aber hier? Nicht einmal die Else kümmert sich recht um ihn.»
«Und mir scheint, er fühlt sich ganz wohl in seinem Bett, abgeschnitten vom Dorf und seinen Bewohnern.»
«Ihr habt recht», erwiderte Karla und wollte dann wissen: «Wo wart Ihr denn nun heute Nachmittag?»
«Auf dem Friedhof.»
«Auf dem Friedhof? Was habt Ihr dort gemacht?»
«Ich habe mir die Gräber angesehen und festgestellt, dass die Michelsmüller ihre Vorväter sehr wohl auf dem Dorffriedhof vergraben haben. Das heißt, dass sie ursprünglich nicht aus Asterode, sondern aus Alwerode stammen. Plötzlich aber reißt die Reihe ab, und sie gründen ein paar Jahrzehnte später bei der Mühle einen eigenen Friedhof. Sie begraben ihre Toten sozusagen in nicht geweihter Erde. So wie Selbstmörder, Beutelschneider, Halunken und anderes Gesindel vergraben werden. Es sei denn, irgendwer hat den Acker geweiht.»
«Merkwürdig.» Karla fuhr sich durch ihr Haar.
«Fürwahr, das ist es. Und du, was hast du heute getrieben?»
Karla stöhnte. «Ich war die Magd der Else, habe ihre Wäsche gewaschen, das Essen gekocht und das Haus geputzt.» Sie hob den Finger. «Doch zuvor war ich drüben bei den Michelsmüllern. Der schwarze Jo baut am Sarg für seinen Vater. Der ist gestern gestorben. Jemand sollte die Totenglocke für ihn läuten. Jost, der kleine Bruder, ist auch erkrankt und leidet unter denselben Malaisen wie sein Vater. Und die Sofie hat keinen Vater für ihr Kind, aber auf dem Regal überm Bett stehen die geschnitzten Figuren von ein paar Dorfbewohnern. Mit abscheulichen Fratzen! Den Glenbauern habe ich erkannt, den Hettrich und den Dorfschulzen. Wie Tiere sahen sie aus!»
«Hm.» Pater Fürchtegott kraulte seinen Bart. «Das alles ist höchst verwunderlich.»
«Ja.» Karla nickte. «Wenn ich durch das Dorf gehe, habe ich das Gefühl, tausend Augen beobachten mich. Es ist regelrecht unheimlich hier. Pater!» Sie fasste nach Fürchtegotts Hand. «Mir graust es ein wenig vor dem Dorf. Wollen wir nicht doch weiterziehen?»
Fürchtegott sah Karla freundlich an und strich ihr sogar über die Wange. «Nein, Kind. Wir müssen hierbleiben. Ich weiß jetzt mit Sicherheit, dass über dem Dorf eine Art Fluch liegt. Schließlich bin ich der Exorzist. Und wenn du wirklich meine Gehilfin sein magst, dann habe ich eine Aufgabe für dich. Doch zuvor fassen wir noch einmal zusammen, was wir wissen. Also:
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