Teufelsmond
Vorratskammer, goss Else einen kräftigen Schluck davon ein und sich selbst auch ein Schlückchen. Sie griff sogar über dem Tisch nach Elses Hand und streichelte sie ein wenig.
«Der Dippel, der musste dich nehmen wegen der Nächstenliebe und allem, was vorgefallen ist, hast du gesagt.» Karla sprach leise und freundlich auf Else ein.
«Was ist vorgefallen? Willst du es nicht sagen?»
Sie schob Else den Branntweinbecher hin, und Else leerte ihn beherzt in einem langen Zug. Danach rülpste sie und zog wieder ein so bejammernswertes Gesicht, dass sich Karla fast grausam vorkam, sie in diesem Zustand zu befragen.
Die Else schniefte und wischte sich den Rotz mit dem Ärmel des Kleides ab. Dann sah sie Klara kläglich an.
«So, wie ich bin, will mich niemand haben», wiederholte sie.
«Was meinst du damit?» Karla goss Elses Becher erneut voll. «Trink, dann wird dir leichter.»
Else nickte und leerte auch den zweiten Becher in einem langen Zug. Wieder wischte sie sich den Mund mit dem Ärmel sauber und sah Karla kläglich an. «Als Magd kann ich nicht gehen. Mein Rücken, meine Knie, die Schultern. Die Arbeit auf einem Hof ist zu schwer für mich. Aber vielleicht wäre ich trotzdem auf einen Hof gegangen, doch keiner hat je gefragt, ob ich bei ihm arbeiten will.»
Karla goss den Becher zum dritten Mal randvoll und beobachtete mit Verwunderung, wie Else auch diesen in einem Zug leerte. «Hicks», machte sie und sprach leise und ein wenig verwaschen weiter. «Und niemals hat mich wer gefragt, ob ich seine Frau sein möchte.» Sie sah Karla so empört an, als wäre das ihre Schuld.
«Warum nicht? Du bist ein stattliches Weibsbild. An dir ist alles dran, was den Männern Freude macht.»
Else nickte und hob mit einer Hand ihren Busen an. «Bald bin ich vertrocknet», erklärte sie. «Der Busen, der nützt mir nichts, hat mir nie etwas genutzt.» Ihre Worte waren kaum mehr als ein Quengeln.
Karla goss Else den vierten Becher voll. «Das verstehe ich nicht», erklärte sie. «Eine Frau mit einem Herzen aus Gold. An jedem Finger müsstest du einen Verehrer haben.»
«Halt dein Maul!» Else sprang erbost auf, schwankte und musste sich am Tisch halten. «Ich habe kein Herz aus Gold und will auch keins haben. Was nützt ein Herz aus Gold, he? Du redest nur, um mich zu beschwichtigen. So wie immer alle geredet haben, um mich ruhig zu halten. Ein Herz aus Gold, pah! Gold brauche ich in meinem Säckchen, in der Hand will ich es spüren, so ist das. Wenn’s in meiner Brust schlägt, nützt mir’s nichts.»
«Warum wollte dich dann kein Mann haben?» Karla ließ nicht locker, schob Else auch den vierten Becher hin.
Else ließ sich zurück auf die Bank fallen und griff nach dem Branntwein. «Den Michelsmüller wollt ich. Der hat mir gefallen, der schwarze Jo. Groß und stattlich, wie er war.» Sie sah auf. «Ich hatte keine Angst vor ihm.»
«Warum hat der junge Michelsmüller eigentlich kein Weib? Wusste er, dass du an ihm interessiert warst?», fragte Karla so gleichgültig wie möglich, während ihr das Herz beim Gedanken an den schwarzen Jo vor Aufregung bis zum Hals klopfte.
Else schüttelte den Kopf. «Einmal vor Jahren beim Maitanz, da war er auch. Und die Sofie war mit ihm gekommen. Sie ließ ihr langes Haar in der Sonne glänzen und hatte ein Samtband hineingeflochten. Ihre Lippen waren rund und rot wie Kirschen, die Augen strahlten. Keine war schöner als sie. Alle Burschen des Dorfes rissen sich darum, mit ihr zu tanzen. Sie aber lachte alle aus, drehte sich ganz allein unter dem Maibaum, als würde sie niemanden brauchen.» Else sah Karla mit verletztem Blick an. «Verstehst du? Sie war ein Weib wie wir alle. Nichts wert ohne einen Mann an der Seite. Und arm war sie obendrein. Der Stoff ihres Kleides war verschlissen, ihre Schuhe abgetragen mit schiefer Sohle. Aber sie tanzte, als gehörte das ganze Dorf ihr. Als bräuchte sie nur mit dem Finger zu schnipsen, und alle lagen ihr zu Füßen. Zugleich tat sie kund, dass wir Alweröder sie nicht die Bohne interessierten. Keiner von uns. Sie war gekommen, um zu tanzen. Allein mit sich und ihrer Schönheit.»
«Und der schwarze Jo?»
«Stand zuerst am Rande und sah seiner Schwester zu. Ich sehe es noch genau vor mir, wie er an der Lügenlinde lehnte, die Hände in den Taschen, das rote Tuch um seinen Hals. Auch er tat, als gäbe es uns Dörfler nicht, als wäre der Maibaum einzig zur Freude für seine Schwester aufgehängt und die Spielleute nur da, um für sie
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