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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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hat sie einen Dummkopf genannt. Nur der Beckmann ist nicht zu ihr gegangen. Der nicht. Der hatte ja die Lissi.»
    «Und der schwarze Jo?» Karla stellte diese Frage mit bebendem Herzen. Else zuckte mit den Schultern. «Eigentlich wollte keine von uns drüben in der Mühle leben. Nicht mit Sofie unter einem Dach.»
    Karla runzelte die Stirn. «Warum nicht?»
    Else sah sie verächtlich an. «Möchtest du mit einer wie der leben? Eine, die dich bestimmt, wie sie will? Eine, die drüben mehr zu sagen hat? Du wärst immer nur die Nummer zwei gewesen. Bei allem, was geschieht.»
    Karla nickte. Sie wusste genau, dass Else nicht nur von den Machtverhältnissen innerhalb der Mühle gesprochen hatte, sondern auch von Sofies Art und Aussehen. Die Müllerin war schön. Keine im Dorf glich ihr. Und jede Frau, die in die Mühle eingeheiratet hätte, hätte sich stets mit dem zweiten Platz zufriedengeben müssen. Niemand hatte so wunderschönes Haar wie Sofie oder eine so hohe, schlanke Gestalt. Und niemand hatte ihre Art, ihr Selbstbewusstsein. Niemals hätte sie sich einem Mann untergeordnet.
    «Warum hat der Jo keine gefreit?», fragte Karla noch einmal. «Er ist ein Mann. Er braucht eine Frau.»
    Else neigte den Kopf. «Wer weiß? Wird ihm wohl keine von uns gut genug gewesen sein. Womöglich sind wir in seinen Augen nur gemeine Dorftrampel. Gut genug zum Arbeiten, aber nicht gut genug für sein Bett und seinen Namen.»
    «Ich verstehe dich», erklärte Karla und strich noch einmal über Elses Hand. Und sie verstand wirklich. «So ist es eben auf dem Dorf», sagte sie. «Niemand kann dagegen etwas ausrichten.»
    Else zog ihre Hand weg und richtete sich plötzlich kerzengerade auf. «Von wegen! Ich werde etwas dagegen ausrichten. Ihr alle werdet noch sehen, dass ich nicht die Übriggebliebene bin, die, bei der sich die Männer ekeln. Alles wird sich ändern, und die, die mir Spott und Häme nachriefen, werden vor mir zittern.»
    Karla bestaunte Elses Rede mit offenem Mund. So, wie sie jetzt sprach, mit blitzenden Augen, hatte sich Karla immer den Erzengel Gabriel vorgestellt. Mit brennendem Schwert.
    «Glaubst du mir?», wollte die Else wissen und ihr Ton klang herrisch.
    Karla nickte. «Ja, das glaube ich dir. Wenn du könntest, wie du wolltest, dann wärest du ab morgen die Herrscherin über das Dorf.»
    «Jawoll!» Else wollte mit der Hand auf den Tisch schlagen, doch sie verlor das Gleichgewicht und stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden.
    Karla seufzte, schob die Branntweinkanne zur Seite, zerrte Else hoch und packte sie in den Lehnstuhl.
    «Schlaf dich aus», murmelte sie. «Nach sechs Bechern Branntwein wollen wir alle Königin sein. Schlaf dich aus.» Sie deckte Else fürsorglich zu, dann schlüpfte sie in Umhang und Stiefeln, und machte sich auf den Weg zum Beckmann’schen Haus, welches das letzte auf der rechten Seite des Weges nach Asterode war.
    Doch Karla kam nicht weit. Vor der Kirche standen die Dörfler mit zugesperrten Gesichtern. Die Weiber hatten die Hände zum Gebet gefaltet, und viele sahen auf den Kirchturm, als hätte er Schuld an dem, was vorgefallen war.
    «Ist er tot, der Beckmann?», fragte Karla das Wegenerweib.
    «Ja. Mausetot», erwiderte sie. «Gott sei seiner Seele gnädig.»
    «Und der Pater?»
    «Hilft der alten Alrun, die Leiche herzurichten. Es heißt, er habe unter sich geschissen im Todeskampf. Ein Gestank sei von ihm ausgegangen, der geradewegs aus der Hölle kam. Die Augen hätte er verdreht und Schaum hätte vor seinem Maul gestanden. Der ist nicht gestorben, der ist verreckt wie ein Stück Vieh.»
    Karla bekreuzigte sich und murmelte ebenfalls ein Gebet.
    Die Glenbäuerin ließ sich von ihrem ältesten Sohn stützen. Sie war schmaler geworden, der pralle Busen hing bis auf den Bauch herab. Ihre Haube war schlampig gebunden, sodass ihr die Haarsträhnen ins Gesicht fielen. Vorn auf dem Brusttuch prangte ein großer Fleck. Ihr Gesicht war bleich wie ein Leichentuch, die Augen hatten jeden Glanz verloren. Plötzlich ließ sie den Kopf auf die Schulter des Jungen sinken und begann verzweifelt zu schluchzen. «Wir sind alle verdammt», kreischte sie. «Merkt Ihr es nicht? Der Tod ist zu uns gekommen. Gefräßig ist er, der Tod. Jeden Tag wird er sich sein Opfer holen. Ehe der Frühling kommt, sind wir alle hinüber.»
    Niemand widersprach. Karla sah die Angst, die sich in den Gesichtern der Menschen eingenistet hatte. Die Wegenerin zuckte mit dem linken Auge, als könne sie so die

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