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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Wahrheit ausblenden. Bernadette hatte ihren Jüngsten fest an sich gepresst. Die Glenbäuerin schluchzte lauthals. Ansonsten herrschte Stille über dem Kirchhof.
    Der Dorfschulze kratzte sich am Kopf. Auch ihm war anzusehen, dass die Ereignisse der letzten Tage ihre Spuren hinterlassen hatte. Seine Augen umgaben dunkle Schatten, die Haut war fleckig. Karla schien es sogar, als hätte er abgenommen.
    Plötzlich war Lärm auf der Gasse zu hören. Eine Frau schrie, und die Schreie kamen aus der Richtung, in der das Haus des Dorfschulzen lag. Sein Weib war es, die schrie. Sie kam gerannt, riss sich dabei an den Haaren, trommelte auf ihre Brust. «Mein Jüngster», schrie sie. «Mein Jüngster ist krank. Er wird sterben!»
    Sie sank auf die Knie, gerade vor der Kirchentür, und trommelte mit beiden Händen in den Schlamm. Dabei stieß sie den Kopf immer und immer wieder auf die Erde. Und dann hinauf zum Himmel und gellte Gott den Namen ihres Sohnes entgegen. Sie heulte wie ein getretenes Tier, winselte in unendlicher Qual. Schon war ihr Gesicht voller Dreck, das Kleid zerrissen, doch sie hörte nicht auf, zu heulen, sich die Haare zu raufen und auf die Brust zu schlagen.
    Karla stand wie gebannt, sah voller Mitleid auf die Frau und danach in die Gesichter der anderen. Wie versteinert stand die Gruppe. Die Weiber pressten ihre Kinder an sich, die Männer sahen zum Dorfschulzen. Tu etwas!, schienen ihre Blicke zu sagen. Du bist das Dorfoberhaupt. Tu etwas. Sie ist dein Weib. Doch der Dorfschulze war zur Salzsäule erstarrt, den Blick fest auf sein heulendes Weib gerichtet, unfähig, sich zu rühren, unfähig, ein Wort hervorzubringen.
    In Karla stieg die Angst hoch wie ein Eisschauer, kroch in die Füße, von dort nach oben in die Schenkel, vereiste ihren Bauch, die Arme, die Schultern, den Kopf, das Denken. Wenn sie das Böse bisher nicht ernst genommen hatte, so wusste sie in diesem Augenblick, dass das Dorf verloren war.

[zur Inhaltsübersicht]
    Fünfundzwanzigstes Kapitel
    Ich muss Jo finden, dachte Karla und versuchte, das Zittern in ihrem Leib, das nicht von der Kälte kam, zu unterdrücken. Er muss wissen, was im Dorf vor sich geht. Er muss wissen, dass er nicht mehr zurückkann. Er muss seine Familie nehmen und fortgehen. Weit fort von hier.
    Sie sah am Horizont den ersten grauen Dämmerstreifen stehen und zog ihren Schal fester um sich. Es war Silvester. Der Mittelpunkt der Raunächte. Es hieß, dass sich in dieser Nacht die Besessenen in Werwölfe verwandelten. Es hieß, dass die Tiere sprechen würden, um sich bei den Hausgeistern über ihre Herrschaft zu beklagen. Es hieß, niemals stünden die Türen zum Geisterreich offener als in der Silvesternacht.
    Karla hatte Angst. Sie musste nicht bis zur Mitternacht warten; allein die Dunkelheit schickte ihr Schauer über den Rücken. Sie wusste jetzt, dass es das Böse gab. Sie hatte es gesehen hier im Dorf, hatte es raunen hören. Und noch eine andere Angst wohnte in ihrer Brust. Eine Angst, von der sie noch niemandem erzählt hatte, nicht einmal dem Pater.
    Entschlossen wandte sie sich von den Leuten an der Kirche ab, die ihr sowieso keine Beachtung schenkten, und begab sich zur Mühle. Von dort aus schlug sie einen schmalen Pfad ein, der hinauf auf den Döhnberg führte. Es gab dort eine Hütte, die einst mit zur Mühle gehört hatte, aber jetzt im Besitz des Glenbauern war. Eine Hütte für die Viehtreiber und Kuhhirten. Seit Jahren war niemand mehr dort gewesen, aber Karla wusste, dass Jo dort mit seiner Familie Zuflucht gesucht hatte.
    Sie bahnte sich ihren Weg auf dem schmalen Pfad, der vielmehr ein Wildwechsel war. Zweige streiften ihr Gesicht, Büsche streckten ihre kalten Finger nach Karla aus. Manchmal raschelte es im Unterholz, und jedes Mal zuckte Karla zusammen. Hier im Wald war das Licht bereits dämmerig. Nebelfetzen hingen zwischen den Bäumen, und der Wind raunte, flüsterte, zischelte vor, hinter und neben ihr. Karlas Zähne klapperten. Sie wünschte sich weit weg. Sie wünschte sich vor den Kamin der alten Grit, in der einen Hand einen Becher Minzaufguss, in der anderen einen gebackenen Kringel. Sie sehnte sich nach dem guten Gesicht der alten Grit, nach ihren klaren blauen Augen, die von einem Faltenkranz umgeben waren und immer zu lachen schienen. Sie sehnte sich so sehr nach ihr, dass ihr die Tränen in die Augen traten. Für einen Augenblick blieb sie stehen, sah nach oben zum Himmel, der grau und schwer über den Wipfeln hing. Und plötzlich

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