Teufelsmond
das Böse Einzug halten können. Wenn Ihr Euch versöhnt, Euch liebend gegenübersteht und gemeinsam betet, so hat der Teufel keine Gewalt mehr über Euch.»
Pater Fürchtegott lehnte sich zufrieden zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
Karla nickte. «Ihr habt recht, Pater Fürchtegott. Wie immer. Nur, wie liebt man einen, den man im Grunde hasst?»
Pater Fürchtegott sperrte den Mund auf und schloss ihn wieder. Im selben Augenblick verkündete die Stundenkerze, dass es kurz vor Mitternacht war. Else stand auf, zog sich eine Fellweste über und holte ihren Umhang. «Mag sein, dass Ihr recht habt, Pater. Aber woher Liebe nehmen und nicht stehlen? Ich gehe jetzt jedenfalls hinunter zur Kirche und nehme meine Töpfe mit. Lärm hat die Geister noch jedes Jahr vertrieben.»
Sie nickte noch einmal bestärkend, dann schlüpfte sie in ihren Umhang, griff nach den Töpfen und verschwand.
«Ich gehe auch!», verkündete Klara, hängte sich den mit Kaninchenfell gefütterten Umhang von Pfarrer Dippel über die Schulter und schnappte sich eine Pfanne und einen Kochlöffel.
«Und Ihr? Wollt Ihr nicht mit?»
Der Pater saß da, mitten in der Küche, und war zugleich schon wieder in andere Welten abgetaucht. «Woher Liebe nehmen und nicht stehlen?», murmelte er vor sich hin.
«Kommt Ihr mit?» Karla packte ihn leicht bei der Schulter und schüttelte.
«Wie?»
«Es ist Mitternacht. Wir wollen die Geister und Dämonen aus dem Dorf vertreiben. Zieht Euch an, wenn Ihr sehen wollt, wie das vor sich geht.»
Wenig später marschierten Karla und der Pater die Dorfstraße hinab. Aus allen Häusern strömten die Bewohner. Knechte und Mägde trugen Fackeln in den Händen. Milchkannen klapperten an den Gürteln. Ein kleiner Junge hieb mit einem Stock kräftig gegen einen alten Waschzuber, bis die Mutter ihn weiterzog.
Vor der Kirche hatte sich das gesamte Dorf versammelt. Die Glenbäuerin lehnte bleich an der Wand, während der Ihre einen großen Kessel in der Hand schwenkte. Neben ihr stand die alte Alrun und hielt ihr ein mit Flüssigkeit getränktes Tuch unter die Nase.
Die Wegenerin hatte ein Messer offen im Gürtel stecken und lehnte sich an ihren Mann.
Der Hettrich hatte ein Blech bei sich; Bernadette drückte ihren Sohn an sich, der einen Stallhasen im Arm trug.
Ein paar Hühner suchten gackernd das Weite und die grün glühenden Augen einer schwarzen Katze spähten durch die unteren Zweige der Lügenlinde.
Der Dorfschulze stand ein wenig abseits. Sein Gesicht war vor Kummer verzerrt. «Was ist mit Euch?», fragte Karla.
«Unser Jüngster», flüsterte er und schüttelte den Kopf. Dann brach er in Tränen aus. Karla legte ihm eine Hand auf die Schulter. «Ist er tot?»
Der Dorfschulze nickte. «Mein Weib, sie ist ganz außer sich. Sie heult und ruft seinen Namen, sie verflucht Gott und reißt sich die Haare aus. Ich musste weg, sonst wäre ich ebenfalls verrückt geworden.»
«Wer ist bei ihr?»
Der Dorfschulze seufzte. «Eine Nachbarin und die Base meines Weibes. Sie halten die Totenwache.»
«Gott schenke Euch Kraft und Stärke», sagte Karla leise und voller Mitgefühl.
Der Dorfschulze sah sie an, und Karla erblickte den Hass in seinem Blick. «Sie werden dafür bezahlen», zischte er.
«Wer?»
«Die von der Michelsmühle natürlich! Die haben mein Kind auf dem Gewissen. Mein Kind und am Ende womöglich auch noch mein Weib. Bezahlen werden sie. Mit Zins und Zinseszins.»
Karla seufzte. Wo will Pater Fürchtegott hier Liebe hernehmen?, dachte sie und sah sich nach ihm um. Ihr Blick blieb am Glenbauern hängen, der sich an den Rand der Gruppe begeben und sein geschwächtes Weib der Alrun überlassen hatte. Er drängte sich an die stumme Rieke heran, die vergeblich versuchte, ihm auszuweichen. Karla sah, wie er ihr in den Po kniff, wie seine riesige Pranke seitlich ihr Kleid nach oben schob und sich im weichen Fleisch von Riekes Oberschenkel vergrub. Das Mädchen verzog das Gesicht, als wollte es weinen, doch der Glenbauer beugte sich zu ihr, flüsterte ihr etwas ins Ohr, sodass sie wie erstarrt stehen blieb. Karlas Blick kreuzte sich mit dem Blick der dürren Bernadette. Auch sie sah, was der Glen hier vor aller Augen trieb, doch sie verzog nur den Mund und schaute schnell in eine andere Richtung. Auch der Wegener hatte den Glenbauern beobachtet, doch blieb er stehen, drückte nur sein Weib fester an sich. Alle, alle sahen, was hier geschah, doch niemand sagte ein Wort, niemand kam der Stummen zu
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