Teufelsmond
Hilfe. Die Trudl biss sich in die Unterlippe, die Lori knetete ihre Hände, aber keiner sprach ein Wort, niemand gebot dem Glenbauern Einhalt.
Langsam ging Karla auf die Stumme zu, nahm sie bei der Hand.
«Was willst du?», herrschte der Glenbauer sie an. «Musst du nicht beim Pater stehen als dessen Gehilfin?»
Karla maß den riesigen Mann mit einem Blick. Seine Haut war großporig, die Nase von zerplatzten Äderchen übersät. Seine Augäpfel schimmerten gelblich, und aus seinem Mund entwich übelriechender Atem. «Ich wollte die Rieke um ihre Unterstützung bitten. Ihr wisst sicher, Glenbauer, dass sie keiner Seele etwas zuleide tun kann. Deshalb sollte sie an der Seite der Geistlichkeit stehen.»
Der Glenbauer grunzte, dann gab er der Stummen einen Stoß, sodass sie gegen Karla taumelte. «Komm», raunte Karla. «Komm, stell dich zu uns.»
Der Hettrich, der die ganze Zeit neben seinem Weib gestanden hatte, war plötzlich verschwunden. Karla sah ihn schließlich ins Gebüsch taumeln. Er presste eine Hand gegen seinen Bauch und erbrach sich in einem Schwall. Dann wischte er sich mit dem Hemdsärmel den Mund sauber und stellte sich wieder neben sein Weib.
Die Wegenerin hatte die Hand ihres Mannes gepackt. Er löste sich von ihr, breitete seinen Umhang über ihre Schultern und schützte sie mit dem Arm.
Schließlich, der Pater hatte bereits die Hände zum Gebet gefaltet, kam der Krügerwirt hinzugerannt. Sein rotes Gesicht war voller Schweißperlen, er keuchte, als hätte er einen endlos langen Lauf hinter sich. «Die Dorfschulzin», rief er. «Die Schulzin, sie brennt!»
Ein Aufschrei ging durch die Gruppe vor der Kirche. Jeder sah in die Richtung, in der das Dorfschulzenhaus lag. Und tatsächlich. Ein roter Schein stand über dem Gebäude.
Der Dorfschulze brüllte wie ein verletzter Stier und eilte die Straße hinab. Die anderen rannten hinter ihm her.
Als Karla schließlich am Dorfschulzenhof angelangt war, musste auch sie einen Aufschrei unterdrücken. In der Mitte des Hofs stand die Frau, beide Arme zum Himmel gereckt. Ihr Haar brannte lichterloh, auch die Ärmel des Kleides hatten Feuer gefangen, doch all dies schien die Frau nicht zu bemerken. Sie stand und schrie den Namen ihres toten Kindes.
«Schnell! Wir brauchen Wasser!» Der Hettrich rannte beherzt zu einem Zuber und goss ihn der brennenden Frau über den Kopf. Es zischte, weißer Rauch stieg auf, der Geruch nach verbranntem Fleisch machte sich breit. Die Weiber beteten und bekreuzigten sich. Als sich der Rauch verzogen hatte, lag die Dorfschulzin auf dem Boden, die Arme noch immer zum Himmel gereckt. Ihr Mann kniete neben ihr, hatte ihr Gesicht mit beiden Händen umfasst. «Sieh mich an!», schrie er. «Um der Liebe Christi willen, sieh mich an!» Doch die Dorfschulzin hörte ihn nicht. Noch ein letztes Mal rief sie den Namen des Kindes, dann fielen ihre Arme herab, die Augen schlossen sich, ein letzter Atemzug wölbte ihre Brust, dann war sie tot. Die Nachbarin stand mit tränenüberströmtem Gesicht dabei. «Sie hat sich selbst angezündet, ich habe es nicht verhindern können. Oh, mein Gott, sie hat sich selbst angezündet!» Sie drehte sich mit ausgebreiteten Armen um die eigene Achse, schüttelte immer wieder den Kopf dabei. «Ich war oben bei den Kindern, wollte sichergehen, dass es ihnen an nichts fehlt. Die Dorfschulzin hielt die Totenwache. Ich habe nicht gemerkt, dass sie fortgegangen ist. In der Küche, da habe ich es rumpeln hören. Ich dachte, es sei die Katze. Und dann wurde es mit einem Mal hell vor dem Fenster. Hell wie beim Sonnenaufgang. Und da sah ich sie. Sie stand mitten im Hof und hat gebrannt wie eine Kerze. Und ihre Kinder, die haben geschrien. Ich bin runter, wollte sie auf den Boden zerren und die Flammen austreten, aber sie ließ mich nicht an sich ran. Immer wieder rief sie nur den Namen des Kindes. Und zum Himmel hat sie gesehen, und auf einmal laut gelacht, als ob sie glücklich wäre. Oh, mein Gott.» Sie schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte laut.
Neben Karla sank die Else auf die Knie, weinte, heulte mordsjämmerlich, und auch die Wegenerin barg ihren Kopf an der Brust ihres Mannes und schluchzte zum Gotterbarmen, während die dürre Bernadette wie erstarrt auf die tote Dorfschulzin blickte, eine Hand noch immer zum Kreuzschlagen erhoben.
Pater Fürchtegott malte der toten Frau ein Zeichen auf die Stirn, faltete ihre Hände, kniete neben ihr nieder und sprach Gebete. «Deine Schuld sei dir
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