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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Schnitzereien, die sie in Sofies Kammer gesehen hatte, und davon, was der schwarze Jo ihr erzählt hatte. Zum Schluss berichtete sie von Leberechts Überfall und ihrer Flucht in den Misthaufen. «Es ist, als versteckten sich die Leute im Dorf vor etwas. Es ist, als wüssten sie alle ganz genau, warum hier das Böse umgeht, aber alle schweigen. Sofie brachte ein Kind ohne Vater zur Welt, und vorhin an der Kirche habe ich gesehen, wie der Glenbauer der Rieke lästig wurde. Alle haben es gesehen, aber niemand hat etwas gesagt. Die Mägde tragen mit Blut gefüllte Schweinsblasen unter ihren Röcken und gehen nur zu zweit hinunter zum Bach.»
    «Was willst du damit sagen?», fragte Fürchtegott.
    Karla zuckte mit den Schultern. Leise fügte sie hinzu: «Alle tun, was der Glen sagt. Niemand fällt ihm ins Wort. Nicht einmal der Dorfschulze. Habt Ihr gesehen, wie sein Weib allmählich verfällt?»
    «Du meinst, das Böse wohnt direkt nebenan?»
    «Ja», erklärte Karla. «Es gibt hier keine Dämonen, keinen Satan. Nur Menschen.»
    Pater Fürchtegott blieb stehen und hielt Karla am Arm. «Und was für welche. Die Sache mit Leberecht gefällt mir ganz und gar nicht. Ich möchte nicht, dass du in der nächsten Zeit allein durch das Dorf spazierst. Nimm dir die Else mit oder wenigstens den Jungen vom Hettrich. Versprich mir das, Karla.»
    «Ja, ich verspreche es», erwiderte das Mädchen. Dann huschte ein Lächeln um ihren Mund. «Ihr habt ein wenig Angst um mich, nicht wahr?»
    Wieder nickte der Pater, lief nachdenklich ein Stück weiter, und Karla folgte ihm. Als sie auf der Höhe der Kirche waren, hörten sie ein Geräusch. «Pscht, Pater Fürchtegott!»
    Es war das Weib des Henn Wegener, das aus der Dunkelheit auf sie zutrat.
    «Was ist, gute Frau?», fragte Pater Fürchtegott.
    «Ich muss beichten», entgegnete sie.
    «Jetzt? In der Nacht?»
    «Morgen kann es schon zu spät sein.» Karla sah, dass die Wegenerin am ganzen Leib zitterte.
    «Dann kommt.» Der Pater deutete auf die Kirchentür und ging voran, die Frau folgte ihm.
    Karla begab sich unterdessen nach Hause ins Pfarrhaus. Sie dachte darüber nach, was sie erfahren und erlebt hatte. Sie war so unendlich müde, dass sie beinahe im Gehen eingeschlafen wäre. Mit kleinen Schritten erreichte sie endlich ihre Schlafkammer, ließ sich auf den Strohsack fallen und schlief, kaum dass ihr Kopf das Kissen berührt hatte.
    Am nächsten Morgen erwachte sie mit Kopf- und Gliederschmerzen. Sie fühlte sich so erschöpft, dass sie am liebsten gar nicht aufgestanden wäre, doch da fiel ihr die alte Alrun ein.
    Mühsam rappelte sie sich hoch, klopfte an die Tür von Pater Fürchtegott.
    «Was ist?», brummte der Pater.
    «Die Alrun hat uns zu sich gebeten. Euch und mich. Ich denke, es gibt etwas, das sie uns anvertrauen will.»
    «Ich will gar nichts mehr wissen», brummte Fürchtegott wieder, doch Karla hörte, dass er sich aufrappelte.
    Wenig später schritten sie die Dorfstraße hinab.
    «Was macht er da?», fragte Karla und deutete auf den Hettrich, der die Fenster seines Hauses mit Holzbrettern vernagelte.
    Pater Fürchtegott antwortete nicht.
    Auch am Haus des Glenbauern wurde gearbeitet. Zwei Knechte waren dabei, die schwere Haustür mit einem neuen Schloss zu versehen. Die hölzernen Läden im Untergeschoss waren geschlossen, nur oben war ein einzelnes Fenster geöffnet.
    Als Karla und Fürchtegott am Wegenerhaus vorübergingen, sah Karla, dass auch hier genagelt wurde. Der Hof, ansonsten mit Gerümpel vollgestellt, war leer, das Scheunentor vernagelt, die Stalltüren mit eisernen Riegeln verschlossen.
    «Sie haben Angst», stellte Karla fest.
    «Das verwundert mich nicht», erwiderte Pater Fürchtegott.
    «Ist es das Böse, welches sie so fürchten?»
    Fürchtegott nickte. «Sie haben keine Kraft mehr. Sie sind müde, verstehst du. Die Angst sitzt ihnen so fest in den Knochen, dass sie schon lange nicht mehr wissen, was gut und richtig ist. Alles, was ihnen bleibt, ist die Furcht. Dabei nützt es rein gar nichts, alles zu verriegeln und zu verrammeln. Das Böse dringt noch durch die kleinste Ritze.»
    «Aber warum bekämpfen sie es dann nicht?»
    Pater Fürchtegott seufzte. «Das ist eine sehr schwere Frage, Kind. Sie wissen, was sie haben, sie wissen, was von ihnen erwartet wird. Sie kennen das Leben, das sie führen, und sie kennen auch das, was sie fürchten. Wenn sie dieses bekämpfen, dann wissen sie nicht, was danach kommt. Sie haben Angst vor dem Ungewissen, deshalb

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