Teufelswasser
leicht abstraktes Landschaftsbild und das Foto einer nachdenklichen jüngeren Frau.
Walther, der nahe der Tür stehen geblieben war, blickte den Beamten ungeduldig nach. Glaser und Vogt sahen sich jedoch erst einmal im Sprechzimmer um. Sie gaben sich zurückhaltend, versuchten aber möglichst vieler Einzelheiten gewahr zu werden.
«Sind Sie Toupet-Träger?», fragte der Hauptkommissar ungeniert.
«Ja, und viele meiner Patienten wissen das», respondierte Dr. Walther genauso ungehemmt. «Etliche haben ihre Probleme mit dem Rückgang des Haupthaars, und ich will den Patienten mit meiner Offenheit die Hemmungen nehmen.»
Das konnte Glaser gut nachvollziehen, indem er an sein eigenes Haar dachte, das auch schon dünner wurde.
«Das im Regal ist mein Ersatz-Toupet.»
Glaser schaute noch einmal genauer hin.
«Ist das Ihre Frau?» Juliane Vogt deutete auf das Foto an der Wand.
«Meine erwachsene Tochter, zu der ich allerdings wenig Kontakt habe. Ich bin im Übrigen geschieden.»
Dr. Walther gegenüber kam ebenfalls die gemeinsam entworfene Fragenliste zum Einsatz. Oberkommissarin Vogt verwahrte sie in ihrem dünnen Mantel und fühlte sich für die Notizen zuständig, weil sich Hauptkommissar Glaser wie ein Gentleman-Detektiv benahm, der scheinbar nur mit dem Kopf arbeitete. So ein blasiertes Verhalten gefiel ihr nicht. Sie wollte nicht die Sekretärin spielen, tat es aber notgedrungen.
Nach seinen Alibis gefragt, gab Walther mit Hilfe seines Terminkalenders an, am 11. April, jenem Mittwoch, am Abend und in der Nacht zu Hause gewesen zu sein. Ohne Zeugen. Am 13. April, jenem Freitag, hätte er am späten Nachmittag hier an seinem Schreibtisch gesessen. Er habe durch das Fenster gesehen, wie seine Nachbarinnen, Frau Stettner und ihre Tochter, in ihrem Garten Blumen gepflanzt hätten – so wie jetzt auch. «Die Grundstücke grenzen direkt aneinander.»
Glaser und Vogt konnten durch das Fensterglas zwei Frauen im Nachbargarten einigermaßen deutlich wahrnehmen. Die Vorhänge würden nur zugezogen, wenn Sprechstunde sei.
«Meine Praxis war, wie gewöhnlich, Freitagnachmittag geschlossen; die Hausbesuche hatte ich bereits hinter mir.»
Ob er die beiden Opfer gekannt habe.
«Natürlich. Frau Müller war meine Patientin. Und ihrem Bruder bin ich im Institut gelegentlich begegnet.»
Ob er Bad Kissingen und dort speziell das Alte Kurbad kenne.
«Ich kenne die Stadt recht gut. Ich überweise immer wieder Patienten dorthin. Und vor vielen Jahren habe ich während meiner Ausbildung ein Praktikum in Bad Kissingen gemacht.»
Glaser kam zu einem weiteren Gesichtspunkt. «Sie haben einen Kompagnon?»
«Nicht in meiner Haupteigenschaft als Arzt.»
«Das ist mir schon klar. Aber welche Funktion hat Herr Weisinger bei Ihrer Projektentwicklung?»
«Peter Weisinger ist in der Immobilienbranche tätig und hat im Gewerbegebiet ein Büro. Er vermittelt teilweise Objekte wie ein klassischer Makler, bietet aber auch Anlageberatungen an. Das ‹Projekt Bruderwald› haben wir zusammen aus der Taufe gehoben.»
«Woher kennen Sie sich?», wollte Juliane Vogt wissen.
«Schon aus Jugendzeiten. Wir waren in derselben Handballmannschaft.»
«Waren Sie am vergangenen Freitag, genauer, in der Nacht vom 20. zum 21. April, in Bad Kissingen?»
«Warum sollte ich?»
«Die Festveranstaltung des Herrn Engel, Ihres Konkurrenten.»
Der Arzt dachte kurz nach. «Weisinger war da; ich war nicht eingeladen. Ich habe friedlich geschlafen.»
***
Nachdem sie Dr. Walther und die Praxis verlassen hatten, beschwerte sich Juliane Vogt bei Glaser, dass er sie wie eine Sekretärin behandle.
Dietmar Glaser tat dies mit sorglosem Erstaunen ab: «Mitnichten, Frau Kollegin. Meinetwegen müssen Sie nicht mitschreiben. Falls wir ausgefeilte Protokolle brauchen, werden wir die Zeugen vorladen.»
Sie machten einen Abstecher in den Nachbargarten. Sieglinde Stettner stand zusammen mit ihrer Tochter Miriam in Gartenarbeitskluft zwischen den Beeten hinter ihrem Haus. Die Mutter sah um Jahre älter aus, als sie tatsächlich war, trug eine Brille, Gummihandschuhe und ein giftgrünes Kopftuch, aus dem glatte Haarsträhnen hervorschauten. Sie hatte rissige, trockene Lippen.
Miriam war ähnlich gekleidet und trug ebenfalls eine Brille. Sie war wie ihre Mutter nicht besonders groß und hatte die glatten, strähnigen Haare von ihr geerbt. Sie hatte sich, nur für die Gartenarbeit, ihre Lippen mit einem mattrosa Lippenstift geschminkt. Die beiden Frauen hielten
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