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Texas

Texas

Titel: Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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Finlay Macnab sich rühmen: »Alle meine Viehtreiber sind jetzt verläßliche Männer aus Schottland, loyale Hochländer, die unsere Sprache sprechen.«
    »Schottisch-Iren« nannte man diese Eindringlinge: von Geburt, Religion und ihrer Charakterfestigkeit her waren sie Schotten, nach Lebensstil und Kultur jedoch Iren. Diese Verschmelzung zweier grundverschiedener keltischer Stämme ergab eine gute Mischung.
    Im Jahre 1810, mit achtzehn Jahren, verliebte Finlay sich gleich zweimal: in die Tochter eines Landedelmanns aus Lurgan und in die pechschwarze Stute eines Schlachters aus Portadown. Der Landedelmann war nicht gewillt, seine Tochter einem Burschen zu geben, der keine großen beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten hatte, und der Schlachter wollte seine Stute nicht an einen Mann verkaufen, der sich weigerte, einen anständigen Preis dafür zu bezahlen. Der junge Finlay fand eine saubere Lösung: Er stahl beide, das Mädchen und die Stute, und lieferte seinen Verfolgern eine wilde Jagd über die Felder und Straßen ganz Nordirlands. Am Ende ließ er das Mädchen und die Stute stehen und schlug sich nach Dublin durch, wo er ein Frachtschiff bestieg, das ihn nach Bristol in England, auf der sicheren Seite der Irischen See, brachte.
    Weil er keine Arbeit finden konnte, ergriff er das ihm vertraute Gewerbe des Viehdiebstahls, mußte aber bald entdecken, daß diese Beschäftigung in England, anders als in Schottland, kein Spiel war. Als er eines Abends mit einer schönen Kuh zu seiner Unterkunft zurückkehrte, flüsterte ihm der Wirt zu: »Sie sind hinter Euch her, Finlay, und wenn sie Euch erwischen, bedeutet das den Galgen.« Finlay versteckte sich in einem Wäldchen, um abzuwarten, ob die Konstabler tatsächlich kamen. Als er nach kurzer Zeit drei Wachmänner umherschleichen sah, machte er sich eilig auf den Weg nach Bristol. Er bestieg das erste beste Schiff und stellte fest, daß es ironischerweise ausgerechnet nach Baltimore, Amerikas katholischster Stadt, fuhr.
    Zehn Jahre später, 1820, war er in Baltimore heimisch geworden. Die deutschstämmigen Bürger der Stadt machten gern Geschäfte mit ihm. Eine flüchtige Liebelei mit Berta Keller, der Tochter eines Bäckers aus München, zwang ihn, früher zu heiraten, als er beabsichtigt hatte. Berta war eine kräftig gebaute blonde junge Frau, die er normalerweise nie genommen hätte. Als sein Schwiegervater 1824 starb, wurde Macnab über Nacht zum Besitzer einer gutgehenden Bäckerei, die er sofort zu einer großen Schiffsbedarfshandlung ausbaute.
    Es gefiel ihm hier, in der schönen Hafengegend Baltimores, und er war auf dem besten Weg, ein bedeutender Bürger der
    Stadt zu werden, da kam bei ihm plötzlich eine alte Charaktereigenschaft der Macnabs wieder zum Vorschein: 1827 ertappte man ihn bei einem höchst anrüchigen Geschäft -es ging um Vieh, das einigen Deutschen in der Nachbarschaft gehörte. Um einer Gefängnisstrafe zu entgehen, entschloß er sich, die Stadt zu verlassen.
    Seine Frau, die über diese unverantwortliche Handlungsweise verbittert war, weigerte sich, ihn auf seiner Flucht zu begleiten. Sie hatten keine glückliche Ehe geführt, und er war froh, sie los zu sein. Die zwei Töchter ließ er bei der Mutter zurück, aber den kleinen Sohn Otto nahm er mit, schlich sich aus der Stadt, bevor die aufgebrachten Viehzüchter seiner habhaft werden konnten, und wanderte auf der Nationalstraße nach Westen.
    Otto war noch keine sechs Jahre alt, aber ein frühreifer Junge, der begriff, daß er und sein Vater die Familie für immer verlassen hatten, und das tat ihm weh. Seine Mutter fehlte ihm sehr.
    Er fühlte sich so verlassen, daß er manchmal gerne geweint hätte, aber ein warnender Blick seines Vaters zwang ihn jedesmal, sich auf die Lippen zu beißen und entschlossen weiterzumarschieren.
    Den Vater bewunderte er wegen seines Wagemuts. Zwar verstand der Junge nicht, warum sein »Poppa« es so eilig gehabt hatte, aus Baltimore zu verschwinden, aber er war überzeugt, daß den Vater keine Schuld traf.
    Eines Abends, als sie über eine schlechte Straße trotteten und sich nicht recht entscheiden konnten, wo sie ihre dünnen Decken für die Nacht ausbreiten sollten, sah Otto in der Dämmerung ein Licht, das aus dem Fenster einer Hütte fiel, die ein gutes Stück von der Straße entfernt stand.
    »Machen wir hier halt, Poppa?«
    »Nein, wir gehen noch ein Stück, bevor es richtig dunkel wird.«
    »Aber Vater, das Licht!«
    »Wir gehen weiter!«
    Sie blieben auf

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