Texas
die Absicht gehabt hätte. Wir dürfen kein Wort drucken, das die Taten von zwei ehrenwerten Bürgern in irgendeiner Form in Frage stellen könnte.«
Sie zerbrachen sich weiter den Kopf, wie sie die sensationellste Geschichte des Jahres bringen sollten, und kamen zu dem Schluß, daß sie so gut wie nichts schreiben konnten, was nicht entweder Anwalt Parmenteer oder die Verwandten von Richter Bates beleidigen würde. Es gab fast nichts, was der Defender über den Fall berichten konnte, außer daß die Sache passiert war. Nicht einmal »B edauerlicher T otschlag auf der H auptstrasse « kam als Schlagzeile in Frage, weil es durchblicken ließ, daß der Totschlag ungerechtfertigt war.
Eins nach dem anderen rangierten die zwei Zeitungsleute die üblichen Wörter aus: bedauerlich, brutal, wild. Doch dann hatte Fordson einen Geistesblitz und warf eine Überschrift hin, gegen die nichts einzuwenden war: »B edauerliches
R encontre in F ort G arner «
»Was zum Henker ist ein Rencontre?« fragte Jackson.
»Das ist eine höfliche französische Umschreibung für die Tatsache, daß einer einen Bauchschuß verpaßt bekommen hat.
Aber das bedauerlich ist nicht glücklich gewählt. Die Parmenteers könnten das unfreundlich aufnehmen. Wir wollen ja schließlich keine Blutrache heraufbeschwören.« Fordson seufzte und sagte dann resigniert: »Am besten überhaupt keine Schlagzeile. Keine Gespräche mit Augenzeugen. Einfach ein Zwischenfall auf der Hauptstraße.« Und als die nächste Ausgabe des Defender erschien, suchten die Leser auf der Titelseite vergeblich nach einem groß aufgemachten Bericht; auf der dritten Seite, versteckt zwischen allerlei Ankündigungen und Angeboten, fanden sie einen kurzen Bericht: Rencontre in Fort Garner. Keine schmückenden Beiwörter, keine blutrünstigen Details und vor allem keinerlei Verdächtigungen nach der einen oder anderen Seite.
Man bescheinigte dem Herausgeber viel Taktgefühl. Der Anwalt wurde nicht in Haft genommen, denn in ganz Fort Garner war niemand zu finden, der zugab, die Bluttat gesehen zu haben. Der nachrückende Richter, hocherfreut darüber, daß er so unerwartet zu einem neuen Posten gekommen war, vertrat die Meinung, die Bluttat gehe ihn nichts an, da sie ja noch vor seinem Amtsantritt geschehen war.
Die Parmenteer-Bates-Affäre wäre eingeschlafen wie hundert andere Morde in diesem Grenzland, wäre da nicht der jüngere Parmenteer, Cletus, plötzlich in die Stadt zurückgekehrt, hätte er sie nicht mit wilden Schießereien terrorisiert und schließlich ein Pferd gestohlen. Die Schießereien hätte man ihm noch verziehen, aber der Diebstahl des Pferdes stellte ein so großes Vergehen gegen die texanische Moral dar, daß man sofort einen Suchtrupp organisierte; sechzehn Freiwillige wurden in Eid und Pflicht genommen, bevor sie sich aufmachten, den Verbrecher zu stellen.
Eine unglückliche Fügung wollte es, daß der Führer des Trupps - nicht per Gesetz, sondern durch lärmenden Zuruf bestellt - der jüngere Bruder des toten Richters Bates war.
Noch vor Einbruch der Dunkelheit stießen sie auf den Flüchtigen, der mit dem gestohlenen Pferd, das auf einem Bein lahmte, nur mühsam vorangekommen war. Aus den Erzählungen, die später die Runde machten, ging ganz klar hervor, daß Cletus Parmenteer auf seinem Pferd sitzen geblieben war und sich ergeben wollte. Zweifellos hoffte er, sein Bruder werde ihn vor Gericht verteidigen. Aber Anson Bates, der Führer des Trupps, wollte nichts davon wissen.
»Anson ist ganz einfach an Ihren Bruder herangeritten«, berichtete einer, der an der Suche teilgenommen hatte, später Daniel Parmenteer, »und hat gesagt: >Wir brauchen keinen von deiner Sorte im Gefängnis«, und schoß ihm sechs Kugeln in die Brust. Er stand nicht weiter entfernt von ihm als ich jetzt von Ihnen.«
Als Rechtsanwalt Parmenteer das hörte, wußte er, daß ihm nichts anderes übrigblieb, als Anson Bates zu erschießen, was er auch tat, als dieser aus dem Barbierladen kam. »Unbewaffnet, ohne jede Möglichkeit, sich zu verteidigen«, berichtete ein Mitglied der Familie Bates seinem Clan. Jetzt brach ein richtiger Krieg aus.
Die Bates töteten vier Parmenteers, kamen aber nie an den Rechtsanwalt Daniel heran, der stets schwer bewaffnet durch den Bezirk zog. Seine Leute schossen fünf Familienmitglieder der Bates nieder, und es dauerte nicht lange, bis sich die Fehde auf die umliegenden Counties ausgedehnt hatte. Eine Zeitlang fielen Bates’ und
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