Texas
»Sie geben mir das ganze Geld. Ich werde es überall dort verteilen, wo es uns nützen kann. Und dann spendieren Sie fünfzehn Hektar Land, und ich werde das gleiche tun.«
»Was wollen Sie mit dem Land machen?«
»Es Leuten geben, die Einfluß auf die Entscheidung haben, wohin die erste Nebenbahn führen soll. Ich will sie auf unserer Seite wissen. Ich will ihrer Stimmen sicher sein, wenn wir sie einmal brauchen.«
»Aber ist das nicht Bestechung?«
»Natürlich ist das Bestechung, und so Gott will, kaufen wir uns damit eine Eisenbahn.«
War Rusk schon unermüdlich gewesen, so übertraf ihn Clyde Weatherby noch um ein Vielfaches in seinen Bemühungen. Nach sechs hektischen Wochen mußte er Earnshaw jedoch gestehen: »Ich habe das ganze Geld ausgegeben und nichts erreicht. Es besteht vorerst keine Hoffnung auf eine Stichbahn nach Süden.«
»Ist es so aussichtslos?« fragte Rusk, der schon in anderen aufstrebenden Städten beobachtet hatte, welch entsetzliche Folgen es hatte, wenn man von der Eisenbahn links liegen gelassen wurde.
»Natürlich nicht!« schnauzte Weatherby. »Die Leute, denen wir Geld und Land gegeben haben, werden uns schon nicht vergessen. Aber jetzt verlange ich eine letzte Spende. Von allen. Ich will doch mal sehen, ob die Leute in Abilene Weitblick haben.« Und schon war er auf dem Weg in die neue texanische Stadt, die denselben Namen trug wie der berühmte alte Verladebahnhof in Kansas. Als er wiederkam, war das ganze Geld verpulvert, und er hatte keinerlei Zusagen: »Nichts. Aber in diesem Geschäft pflanzt man Samen und hofft, daß etwas Gutes aus dem Boden kommen wird, und ich habe überall Samen gepflanzt, und ich schwöre auf die Bibel: Noch bevor fünf Jahre herum sind, wird aus diesen Samen etwas wachsen.« So sahen die Männer von Fort Garner hoffnungsvoll zu, wie die Jahre vergingen und die Eisenbahnlinien sich nach allen möglichen Richtungen ausbreiteten, nur nicht in die ihre.
Zwei Wochen nachdem Franziska Macnab ihren Mann begraben hatte, erhielt sie vom Capitol in Austin die Nachricht, daß ihr Bruder Ernst an seinem Pult im Sitzungssaal des Senats gestorben war. So mußte sie innerhalb eines Monats zwei Menschen zu Grabe tragen. Ihre Mutter war vor einigen Jahren gestorben; ihr geliebter Vater und ihr jüngster Bruder Emil waren bei dem Massaker am Nueces River ums Leben gekommen, und jetzt waren auch Ernst und Otto tot. Ein Gefühl der Vergänglichkeit, das Gefühl, einer zu Ende gehenden Epoche anzugehören, überkam sie.
Ihre drei Kinder waren mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt, und so war Franziska nun sehr viel allein. Sie empfand plötzlich ein starkes Verlangen, den Kontakt mit ihrem einzigen noch lebenden Bruder, Theo, wiederherzustellen. Im Jahre 1875 war der ganze Staat auf ihn aufmerksam geworden, als er nach einem verheerenden Hurricane den Wiederaufbau der Stadt Indianola organisiert hatte. Mehr als vierzig Geschäfte waren von den reißenden Fluten der Matagorda Bay zerstört worden, der Sturm hatte über dreihundert Menschenleben gekostet, und viele ältere Leute verkündeten, daß sie die Stadt verlassen wollten. Da hatte Theo den Zeitungen von Galveston und Victoria gegenüber erklärt: »Ich werde meine Schiffsbedarfshandlung schöner und größer denn je wieder aufbauen.«
Er hatte es geschafft, und andere Geschäftsleute ermutigt, es ihm nachzutun: Die Stadt war wieder reich geworden. Theos Umsatz hatte sich verdoppelt, und durch seine Tätigkeit als Agent der Western Texas und Pacific Railway Company war er zum führenden Kaufmann Indianolas geworden.
Franziska überlegte, ob sie nicht nach Indianola ziehen sollte, um die letzten Jahre ihres Lebens gemeinsam mit ihrem Bruder zu verbringen, doch nach mehreren Monaten sorgfältigster Überlegung entschloß sie sich, in Fredericksburg zu bleiben. Zu viele ihrer Erinnerungen waren mit dieser Stadt verbunden.
Im Frühjahr 1886 erhielt sie einen Brief von Theo: »Jetzt wo Otto und Ernst von uns gegangen sind und auch meine Frau gestorben ist, wird es einsam. Nur du und ich sind noch übrig. Komm und verbringe den Sommer hier.«
Sie überließ die Betreuung der Farm Emils Kindern, die nun alle verheiratet waren, und bestieg die Postkutsche nach San Antonio, wo sie in den Zug stieg, der diese Stadt neuerdings mit Houston verband. Ab Victoria benutzte sie die berühmte alte Eisenbahn, die nach Indianola hinunterdampfte.
Sie traf am Freitag, dem 13. August 1886, bei ihrem Bruder ein und
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