Texas
kehrte jetzt mit noch zerstörerischer Gewalt zurück.
Theo Allerkamp, dessen Schiffsbedarfshandlung vom ersten donnernden Feuerstoß erfaßt worden war, gelang es, den Flammen zu entgehen. Er behielt einen kühlen Kopf und rief den umherirrenden Leuten, die mit ansehen mußten, wie ihr Lebenswerk zerstört wurde, zu: »Bereitet euch auf den Rücklauf vor!« Dann kämpfte er sich durch das steigende Wasser zu seinem Haus durch, wo Franziska, an die Wand gepreßt, verzweifelt auf ihn gewartet hatte. Er führte sie zum höchsten Punkt des Hauses hinauf, das so gebaut worden war, daß es einer Flut wie der des Jahres 1875 widerstehen konnte, und holte Stricke, um seine Schwester an ein schweres Möbelstück zu binden, damit sie nicht mitgerissen wurde, wenn das Wasser anfing zurückzufließen.
Es half nichts, denn der Sturm brachte einen Regen flammender Meteore mit sich, Wolken aus Glutasche, Tausende von glühenden Funken, die alle Häuser anflogen, die noch nicht in Flammen standen.
»Wir werden verbrennen!« schrie Theo, schnitt die Stricke durch, mit denen er seine Schwester an ein Möbelstück gebunden hatte, und drückte sie ihr in die Hand. »Zu den Bäumen!«
Sie rannten zu den wenigen Bäumen, die es in Indianola gab, dünne Gewächse, die diese Bezeichnung kaum verdienten; Franziska erreichte sie, Theo nicht. Eine Woge, mächtiger als alle, die bisher landeinwärts gekommen waren, erfaßte ihn, warf ihn wie eine Puppe hoch und schleuderte ihn mit unvorstellbarer Gewalt gegen eines der brennenden Häuser. Er starb im Herzen der Stadt am Meer, die er bauen und wieder aufbauen geholfen hatte.
Franziska mußte mit ansehen, wie ihr Bruder umkam, aber sie verlor dennoch nicht die Nerven. Als die schreckliche Stille eintrat, die das Kommen der größten Gefahr ankündigte, kletterte sie wie ein Eichkätzchen in die höchsten Äste eines Baumes hinauf. Dort saß schon eine junge Mutter mit zwei kleinen Kindern, alle so verängstigt, daß sie kein Wort herausbrachten. Franziska hatte zwei Stricke - einer davon war für Theo bestimmt gewesen -, und so band sie nun die drei und dann sich selbst so fest sie nur konnte an den Ästen und Zweigen fest.
Im Morgengrauen setzte die grausamste Phase des Hurricanes ein. Von ihrem hohen Sitz aus beobachteten sie, wie die Stadt weiter brannte, wie immer wieder Häuser aufflammten, während die schlammigen Wasser der Flut zurückzuweichen begannen.
Zuerst war es nur eine kaum wahrnehmbare Bewegung zur Matagorda Bay hin; dann wurde sie rascher, verwandelte sich in ein gewaltiges Aufwallen und schließlich zu einem alles verschlingenden Mahlstrom unübersehbarer Wassermassen. Nun stürzten auch die Häuser ein, die von den Flammen verschont geblieben waren und dem ersten Teil des Hurricanes Widerstand geleistet hatten.
Langsam ging die große Flut zurück, die heulenden Winde legten sich, und die letzten Flammen erloschen. Franziska löste ihren Strick und befreite die anderen. »Jetzt können wir hinunter. Jetzt ist alles vorbei.«
Keiner der wie betäubt in den verkohlten Straßen umherirrenden Überlebenden wußte zu sagen, wo sein Haus gestanden hatte, denn an diesem Freitag nachmittag, als die
Augustsonne wieder herunterbrannte, sahen sie eine Stadt, die völlig zerstört war. Indianola existierte nicht mehr.
Es wurde heißer und heißer. Die Menschen stöhnten nach Wasser, aber es gab nirgendwo etwas zu trinken, und es standen auch keine Häuser mehr, die den Dürstenden hätten Schatten spenden können. Die Kinder schrien vor Qual. Gegen Abend hörte man mit dem Einsammeln der Leichen auf, denn die halb wahnsinnigen Überlebenden mußten sich nun überlegen, wie sie die Nacht verbringen sollten.
Im Morgengrauen kamen Leute aus einer anderen, weniger schwer getroffenen Stadt und brachten Wasser. Schluchzend sagte Franziska: »Das Wasser hat uns vernichtet, das Wasser hat uns gerettet.« Nie würde sie diese ersten Tropfen vergessen.
In der Sicherheit ihrer kleinen Stadt, sechshundertfünfzig Kilometer nordwestlich von Indianola, hörte Emma Rusk einige Tage später von der Katastrophe, machte sich aber kaum Gedanken darüber; sie hatte Sorgen mit ihrem Sohn, der von Jahr zu Jahr schwieriger wurde. Er hatte sich angewöhnt, ungeheure Mengen von Nahrung in sich hineinzustopfen. Mit zwölf Jahren hatte er bereits mehr als hundertvierzig Pfund gewogen. Seine Mutter, die immer wieder versuchte, seine Freßlust zu zügeln, war einmal grob angefahren worden: »Ich will
Weitere Kostenlose Bücher