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Texas

Texas

Titel: Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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doppelter Skandal, denn diese relativ neue Sekte war eine Abspaltung der Campbelliten, einer Religionsgemeinschaft, die er vorher heftig geschmäht hatte.
    In seiner neuen Reinkarnation wurde Joel Job III. zu einem konservativen Schrecknis, und es vergingen keine sechs Monate, da befand er sich bereits inmitten einer großen Auseinandersetzung, die seine neue Konfession in Stücke riß.
    Sie werden lachen, wenn ich Ihnen jetzt erzähle, gegen welche vier Neuerungen er sich so verbissen wehrte: gegen Missionseinrichtungen - weil in der Bibel keine Rede von ihnen war; gegen die Sonntagsschule - weil er für sie keine Rechtfertigung in der Bibel finden konnte; gegen die Wiedertaufe von Baptisten, Methodisten und Presbyterianern, die sich der neuen Kirche anschließen wollten: >Wenn für Johannes und Jesus eine Taufe ausreichte, reicht sie auch für den Farmer Jones aus Waco aus.< Doch sein glühendster Haß galt der Instrumentalmusik beim Gottesdienst - sie sei ja im Neuen Testament nicht erwähnt.
    Sein Sohn, Joel Job IV. nahm regen Anteil an den Geschehnissen rund um die Prohibition. Mit dem methodistischen Evangelismus vergangener Tage zog er durch den Staat. Er war glücklich, wenn er auf seiner Bühne Mütter und Kinder präsentieren konnte, die durch die Trunksucht ihrer Männer und Väter verarmt waren. Mit Gewalt drang er in Saloons ein, trug Faustkämpfe mit Schnapshändlern aus und tat alles, um Texas dazu zu bringen, für die Prohibition zu stimmen. An dem Tag, als das Alkoholverbot auf ganz Amerika ausgedehnt wurde, erklärte er in einer Massenversammlung in Dallas: >Die Seele Amerikas ist gerettet!<«
    Quimper, ein starker Trinker, unterbrach ihn. »Aber, Reverend Harrison, haben Sie nicht vor kurzem selbst im Kampf gegen den Alkohol eine führende Rolle gespielt? In diesen drei Counties im Westen, die ein Referendum gegen Saloons abgehalten haben?«
    »Ja, das stimmt, und ich kann mit Stolz behaupten, daß es uns gelungen ist, diese Counties trocken zu halten. Ich betrachte den Alkohol als ein beständiges Übel.«
    »Vielen Dank«, sagte Quimper und verneigte sich wie vor einem politischen Gegner.
    »Ich erzähle Ihnen diese Dinge«, fuhr Harrison fort, »um Sie daran zu erinnern, daß wir hier in Texas die Religion ernst nehmen. Wie ich Ihnen gleich demonstrieren werde, kann sie sogar zu einer Frage von Leben und Tod werden.« Nun wandte er sich seinem eigentlichen Thema zu.
    »Außer zur Zeit der Republik, als der Säkularismus überhandnahm, war die Religion im Leben der Texaner stets eine starke und oft sogar die treibende Kraft. Stephen F. Austin beispielsweise wollte nur fromme Christen für seine Kolonie haben. Daß Texas ein Staat geworden ist, verdankt es zum großen Teil den loyalen Protestanten, die sich weigerten, die katholische Kirche als Staatskirche zu akzeptieren. Die Religion bestimmt das Leben der Texaner auf allen Gebieten. Wenn man nur die äußeren, sichtbaren Ausdrucksformen dieser Religiosität betrachtet, könnte man mit einiger Berechtigung zu dem Schluß kommen, daß Texas der christlichste aller Staaten ist und es schon immer war. Verständlich also, wenn viele, vielleicht sogar die meisten Texaner glauben, daß dem so ist. Wir lieben unsere Kirche und verteidigen sie mit allen Mitteln.
    Wer aber einen leidenschaftslosen Schritt zurück tut und die tatsächlichen Verhältnisse in Texas mit kühlem Kopf bewertet, der muß sich fragen, wie tiefgründig diese religiösen
    Überzeugungen wirklich sind. Im texanischen Odessa stehen Ihre Chancen, ermordet zu werden, besser als in jeder anderen Stadt der Vereinigten Staaten. Unsere Staatsbeamten gehen regelmäßig für Vergehen ins Gefängnis, die in Staaten wie Iowa oder South Dakota längst nicht so häufig Vorkommen. Die durch Trunkenheit am Steuer bedingten Todesfälle auf den Straßen Texas’ sind in ihrer Vielzahl erschütternd. Nun, historisch gesehen verspürten die texanischen Christen, allesamt fleißige Kirchgänger, nie große Lust, sich den sittlichen Problemen ihrer Zeit zu stellen. Joel Job I. war ein hartnäckiger Verteidiger der Sklaverei, und sowohl Harrison II. als auch Harrison III. zogen im Sezessionskrieg konföderierte Uniformen an, um als Militärgeistliche zu wirken; die Sklaverei, daran glaubten sie fest, war gottgewollt und mußte beibehalten werden. Harrison IV. der gegen den Alkohol kämpfte, trat auch für die Wiederbelebung des Ku-Klux-Klan ein; in zwei denkwürdigen Predigten behauptete er, daß der

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