Throne of Glass – Die Erwählte
…
Mit einem Schauder holte Celaena Luft. Wenigstens konnte sie in der Gruft nach ein paar Hinweisen suchen. Vielleicht fand sie etwas über Elenas Absichten heraus. Und wenn das nichts ergab … nun, dann hatte sie es zumindest versucht.
Wieder wehte der gespenstische Luftzug durch ihr Schlafzimmer und brachte den Rosenduft mit sich. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis Celaena in einen unruhigen Schlaf sank.
26
D ie Tür zu ihrem Schlafzimmer wurde aufgestoßen und Celaena stand in Sekundenschnelle aufrecht neben dem Bett, einen Kerzenleuchter in der Hand.
Aber Chaol nahm sie kaum wahr, als er aufgebracht hereinstürmte. Stöhnend ließ sie sich aufs Bett fallen. »Schlaft Ihr eigentlich nie?«, murrte sie und kroch unter die Decke. »Habt Ihr nicht bis in die frühen Morgenstunden gefeiert?«
Eine Hand am Schwert, schlug er die Decke zurück und zerrte sie am Ellbogen aus dem Bett. »Wo seid Ihr letzte Nacht gewesen?«
Sie unterdrückte die Angst, die ihr die Kehle zuschnürte. Er konnte nichts von dem Gang wissen. Sie lächelte. »Hier natürlich. Ihr habt mich doch besucht und mir das hier gegeben.« Sie befreite ihren Ellbogen und fuchtelte ihm mit der Hand, an der der Amethyst-Ring steckte, vor der Nase herum.
»Das hat nur wenige Minuten gedauert. Was ist mit dem Rest der Nacht?«
Sie weigerte sich, zurückzuweichen, als er ihr Gesicht, ihre Hände, dann alles andere genau betrachtete. Stattdessen revanchierte sie sich mit ebenso aufdringlichen Blicken. Seine schwarze Tunika war nicht ganz zugeknöpft und etwas zerknittert und das kurze Haar brauchte dringend einen Kamm. Warum auch immer, er war in Eile.
»Was soll das alles? Haben wir nicht heute Vormittag eine Prüfung?« Sie zupfte an ihren Fingernägeln, während sie auf eine Antwort wartete.
»Die ist abgesagt. Heute Morgen wurde ein weiterer Champion tot aufgefunden. Xavier, der Dieb aus Melisande.«
Sie sah ihn kurz an, dann wieder auf ihre Nägel. »Und Ihr nehmt natürlich an, dass ich es war?«
»Das will ich nicht hoffen, die Leiche ist nämlich halb aufgefressen.«
»Aufgefressen!« Sie rümpfte die Nase. Dann setzte sie sich aufs Bett. »Das ist ja grauenvoll. Vielleicht war es Cain, er wäre bestialisch genug für so etwas.« Ihr Magen zog sich zusammen – noch ein Champion ermordet. Hatte das vielleicht etwas mit dem Bösen zu tun, von dem Elena gesprochen hatte? Wie die Untersuchung ergeben hatte, waren die Morde am Augenfresser und den beiden anderen Champions weder bedauerliche Zwischenfälle noch eine Schlägerei unter Betrunkenen gewesen. Es steckte eindeutig ein Muster dahinter.
Chaol seufzte. »Schön, dass Ihr selbst an einem Mord noch etwas Komisches findet.«
Sie zwang sich, ihn anzugrinsen. »Cain ist wirklich der wahrscheinlichste Kandidat. Ihr seid aus Anielle – Ihr solltet die Leute aus den White Fang Mountains besser als jeder andere kennen.«
Er fuhr sich mit der Hand durch das kurze Haar. »Ihr solltet nicht leichtfertig jemanden beschuldigen. Cain mag ein brutaler Mistkerl sein, aber er ist immer noch Herzog Perringtons Champion.«
»Und ich bin der Champion des Kronprinzen!« Sie warf ihr Haar über die Schulter zurück. »Man sollte doch denken, dass ich beschuldigen kann, wen ich will.«
»Sagt es mir einfach: Wo wart Ihr letzte Nacht?«
Sie richtete sich auf und blickte in seine goldbraunen Augen. »Wie meine Wachen Euch bestätigen können, war ich die ganzeNacht hier. Und wenn der König mich verhören lässt, kann ich ihm jederzeit sagen, dass auch Ihr das bezeugen könnt.«
Chaol warf einen Blick auf ihren Ring und sie verkniff sich das Grinsen, als eine leichte Röte über seine Wangen kroch. »Sicher seid Ihr noch beglückter zu hören, dass wir beide heute kein Training haben.«
Sie lächelte und seufzte theatralisch, als sie unter die Decke zurückkroch und sich in ihre Kissen schmiegte. »Unendlich beglückt.« Sie zog die Decke bis zum Kinn hoch und bedachte ihn mit einem Augenaufschlag. »Und jetzt verschwindet. Ich werde das mit fünf weiteren Stunden Schlaf feiern.« Das war gelogen, aber er nahm es ihr ab.
Sie schloss rasch die Augen – sie wollte gar nicht sehen, wie er wütend wurde – und lächelte bei sich, als sie ihn aus dem Zimmer stapfen hörte. Erst als die Türen knallten, setzte sie sich auf.
Der Champion war gefressen worden?
Letzte Nacht im Traum – nein, es war kein Traum gewesen. Es war wirklich passiert. Da waren diese fauchenden Kreaturen gewesen …
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