Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit
Charles neigte seine Lanze ein wenig nach oben. Er zielte also auf den Kopf. Oder war das nur ein Täuschungsmanöver? Es gab Lanzenreiter, die ihr Ziel noch im letzten Augenblick änderten. Würde er es tun?
Sechzig Meter.
Den Kopf als Ziel zu nehmen war riskant, wenn nicht beide Reiter auf den Kopf des Gegners zielten. Eine gerade auf den Oberkörper gerichtete Lanze traf Sekundenbruchteile früher auf als eine auf den Kopf gezielte: Es war eine Frage des Winkels. Aber ein geschickter Ritter konnte seine Lanze aus der eingelegten Position nehmen und ein Stückchen weiter vorstrecken, so daß er ein paar zusätzliche Zentimeter und damit den ersten Treffer bekam. Man brauchte enorme Kraft, um die Wucht des Aufpralls abfedern und die Lanze im Zurückschnellen kontrollieren zu können, so daß das Pferd die Hauptlast zu tragen hatte; doch auf diese Art gelang es dem Reiter eher, einen gezielten Treffer des Gegners zu verhindern.
Sir Charles hielt die Lanze noch immer nach oben geneigt. Doch jetzt legte er sie ein und beugte sich im Sattel ein wenig vor. So hatte er die Lanze besser unter Kontrolle. Würde er noch einmal täuschen?
Vierzig Meter.
Es war nicht zu sagen. Marek beschloß, auf die Brust zu zielen. Er brachte seine Lanze in Position. Ab jetzt würde er sie nicht mehr bewegen.
Dreißig Meter.
Er hörte das Donnern der Hufe, das Brüllen der Menge. Die mittelalterlichen Texte warnten: »Schließe im Augenblick des Aufpralls nicht die Augen. Behalte sie offen, um deinen Treffer zu landen.«
Zwanzig Meter.
Seine Augen waren offen.
Zehn.
Der Mistkerl hob die Lanze wieder.
Er zielte auf den Kopf.
Aufprall.
Das Krachen des Holzes klang wie ein Schuß. Marek spürte einen stechenden, nach oben schießenden Schmerz in seiner linken Schulter. Er ritt zum Ende des Platzes, ließ seine zerbrochene Lanze fallen und streckte die Hand nach einer neuen aus. Aber die Knappen starrten nur auf das Turnierfeld in seinem Rücken.
Als er sich umdrehte, sah er, daß Sir Charles auf der Erde lag und sich nicht rührte.
Und dann fiel sein Blick auf Sir Guy, der mit seinem Pferd um den noch immer bewegungslos am Boden liegenden Chris herumtänzelte. Das hatte er also vor, dachte Marek. Er würde Chris zu Tode trampeln.
Marek wendete und zog das Schwert. Er hielt es hoch erhoben.
Mit einem Wutgeheul spornte Marek sein Pferd an und stürmte los.
Die Menge schrie und trommelte auf das Geländer. Sir Guy drehte sich um und sah Marek kommen. Dann schaute er noch einmal zu Chris hinunter und drückte seinem Pferd den Absatz in die Flanke, damit es seitwärts ging und ihn zertrampelte.
»Pfui! Pfui!« schrie die Menge, und sogar Lord Oliver war entsetzt aufgesprungen.
In diesem Moment hatte Marek Sir Guy erreicht. Er konnte nicht anhalten, sondern rauschte an Guy vorbei und schlug ihm, laut »Arschloch« schreiend, mit der Breitseite seines Schwerts auf den Helm. Er wußte, daß das seinem Gegner nicht weh tun würde, aber es war ein beleidigender Schlag, der Guy dazu bringen würde, von Chris abzulassen. Was auch geschah.
Sir Guy wandte sich sofort von Chris ab, als Marek mit erhobenem Schwert wendete. Er zog sein Schwert aus der Scheide und schwang es so heftig, daß die Klinge durch die Luft schwirrte. Klirrend traf es auf Mareks Klinge. Marek spürte, wie sein Schwert beim Aufprall in seiner Hand vibrierte, und holte zu einem Gegenschlag auf den Kopf aus. Guy parierte, die Pferde drehten sich, und immer und immer wieder klirrten die Schwerter aufeinander.
Der Kampf hatte begonnen. Und irgendwo in einem entfernten Winkel seines Bewußtseins war Marek klar, daß es ein Kampf auf Leben und Tod sein würde.
Kate schaute dem Geschehen vom Geländer aus zu. Marek schlug sich tapfer, und an körperlicher Kraft war er seinem Gegner überlegen, aber es war offensichtlich, daß er nicht das technische Können von Sir Guy hatte. Seine Hiebe waren unkontrollierter, seine Körperhaltung weniger sicher. Das schien nicht nur ihm, sondern auch seinem Gegner bewußt zu sein — immer wieder wich Sir Guy mit seinem Pferd ein Stückchen zurück, um Platz für einen vollen Schwung zu haben. Marek dagegen rückte immer sofort nach, er hielt den Abstand klein, fast wie ein Boxer, der den Clinch sucht.
Aber Marek konnte das nicht ewig durchhalten, das sah Kate. Früher oder später würde Guy, vielleicht nur einen Augenblick lang, genug Abstand haben, um ihm einen tödlichen Hieb zu versetzen.
Mareks Haare waren triefnaß unter
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