Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit
in der Nähe einer Gruppe zu bewegen, und um Ansammlungen von Männern machte sie einen weiten Bogen.
Das Johlen der Menge, die das nächste Ritterpaar anfeuerte, in den Ohren, bahnte sich einen Weg hinter die Tribünen. Auch zwischen den Zelten links von ihr keine Spur von Chris oder Marek. Und doch hatten sie den Turnierplatz erst vor wenigen Minuten verlassen. Waren sie in einem der Zelte? Seit einer Stunde hatte sie in ihrem Ohrstöpsel nichts mehr gehört; aber das lag sicher daran, daß Chris und Marek Helme trugen, die die Übertragung blockierten. Aber die Helme hatten sie inzwischen doch bestimmt abgenommen?
Dann endlich entdeckte sie die beiden, ein Stückchen hügelabwärts saßen sie an einem mäandernden Bach.
Sie ging den Hügel hinunter. Ihre Perücke war heiß und kratzig in der Sonne. Vielleicht konnte sie sie abnehmen und ihre Haare einfach unter eine Kappe stecken. Oder vielleicht sollte sie die Haare noch ein bißchen kürzer schneiden, dann würde sie auch ohne Kappe als junger Mann durchgehen.
Könnte interessant sein, dachte sie, für eine Weile ein Mann zu sein.
Gerade überlegte sie, wo sie eine Schere herbekam, als sie die Soldaten sah, die sich Marek und Chris näherten. Sie ging langsamer. Zwar hörte sie noch nichts in ihrem Ohrstöpsel, aber sie war so nahe dran, daß sie eigentlich etwas hören mußte.
War ihr Gerät ausgeschaltet? Das konnte nicht sein. Sie tippte sich ans Ohr.
Sofort hörte sie Chris sagen: »Wir haben ihn entehrt?«, und dann etwas, das sie nicht verstand. Die Soldaten schubsten Chris in Richtung Burg. Marek ging neben ihm.
Kate zögerte kurz und folgte ihnen dann.
Castelgard war verlassen, die Läden und Werkstätten geschlossen, und in den leeren Straßen hallten die Schritte. Alle waren beim Turnier, was es Kate viel schwieriger machte, Marek und Chris und den Soldaten zu folgen. Sie mußte weit zurückbleiben und immer warten, bis sie in die nächste Straße einbogen, dann hastete sie ihnen fast im Laufschritt nach, bis sie sie wieder sah und sich erneut hinter einer Ecke verstecken mußte.
Sie wußte, daß ihr Verhalten verdächtig wirkte. Aber es war niemand da, der sie sah. Hoch oben in einem Fenster saß eine alte Frau mit geschlossenen Augen in der Sonne. Aber sie schaute nie nach unten. Vielleicht schlief sie sogar.
Auch die Wiese vor der Burg war verlassen. Die Ritter auf ihren stolzierenden Pferden, die Übungsgefechte, die flatternden Banner, alles war verschwunden. Die Soldaten überquerten die Zugbrücke. Als sie ihnen folgte, hörte sie einen Aufschrei der Menge auf dem Turnierplatz außerhalb der Mauern. Die Wachen drehten sich um und riefen den Soldaten auf der Mauerkrone etwas zu; anscheinend fragten sie, was da unten los war. Die Soldaten hatten den Turnierplatz im Blick, sie riefen etwas herunter. All dies war begleitet von Flüchen, offensichtlich waren Wetten abgeschlossen worden.
In dem Durcheinander konnte sie unbemerkt durchs Tor schlüpfen.
Sie stand in dem kleinen äußeren Burghof. Pferde waren an einem Pfosten angebunden, aber unbewacht. Im Außenhof waren keine Soldaten zu sehen, alle standen oben auf der Mauerkrone und schauten dem Turnier zu.
Marek und Chris waren nirgends zu entdecken. Da Kate nicht wußte, was sie sonst tun sollte, ging sie zur Tür, die in den Festsaal führte. Auf einer Wendeltreppe links davon hörte sie Schritte. Sie stieg die Treppe hoch, immer im Kreis, aber die Schritte wurden schwächer.
Anscheinend waren sie nach unten gegangen, nicht nach oben.
Sie kehrte sofort um. In engen Windungen führte die Treppe nach unten und endete in einem niedrigen, feuchten und modrigen Steinkorridor mit Zellen auf beiden Seiten. Die Türen waren offen, die Zellen alle leer. Irgendwo vor ihr, hinter einer Biegung des Gangs, hallten Stimmen, Metall klirrte.
Sie bewegte sich vorsichtig weiter. Mit Hilfe ihrer Erinnerung an die Ruine, die sie vor wenigen Wochen so sorgfältig erforscht hatte, versuchte sie, im Geiste diesen Burgteil zu rekonstruieren. Aber an diesen Gang konnte sie sich nicht erinnern. Vielleicht war er schon Jahrhunderte zuvor eingestürzt.
Wieder metallisches Klirren und hallendes Gelächter.
Dann Schritte.
Sie brauchte einen Augenblick, bis sie merkte, daß sie auf sie zu kamen.
Marek ließ sich auf das durchweichte, glitschige und faulig stinkende Stroh fallen. Chris rutschte auf dem Matsch aus und stolperte neben ihn. Die Zellentür wurde zugeworfen. Sie befanden sich am Ende eines
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