Tochter der Träume / Roman
weniger.«
»Ach ja, du hast Freunde und eine Familie, die du tunlichst meidest.« Prompt stiegen wieder die alten Schuldgefühle in mir hoch, denn mir war klar, wie recht er damit hatte. »Und dann gibt es da noch diesen luziden Träumer, von dem du mir erzählt hast.« Morpheus blickte ein wenig nachdenklich drein. »Er hat neulich von dir geträumt. Er weiß, was du für ein Wesen bist.« Er sah mich mit wissendem Blick an. »Ich wüsste zu gern, ob sein Interesse an dir vor oder nach dieser Erkenntnis aufgeflammt ist.«
Die Frage ließ mich erschauern. Ebenso die Tatsache, dass mein Vater Noah offenbar nachspionierte. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, sich als mein Vater, der Beschützer, aufzuspielen.
»Es war davor«, zischte ich durch zusammengebissene Zähne, obgleich ich mir gar nicht so sicher war. Dabei wollte ich mir sicher sein.
»Er ist ein starker Träumer, dieser Noah«, meinte Morpheus, und seine Stimme klang ein wenig zu beiläufig. »Mit Hilfe eines Traumwesens könnte er sogar noch stärker werden.«
»Wozu?«, fragte ich. »Nichts, was er in seinen Träumen zu tun vermag, würde ihm in der realen Welt nützlich sein.«
»Diese Welt ist genauso real wie die, in der du lebst, Dawn. Vergiss das nie!« Seine Stimme klang leise und ruhig, doch der leise Vorwurf darin entging mir nicht. »Wenn du wüsstest, was dein Freund träumt, wärest du vielleicht weniger schnippisch.«
Es überlief mich kalt. »Was meinst du damit?«
»Das kann ich nicht sagen.«
»Jetzt komm mir nicht so«, schnaubte ich. »Du kannst tun, was immer du willst.«
»Ich werde dir nicht von Noahs Träumen erzählen. Sie gehören ihm. Ich will nur, dass du vorsichtig bist.«
Wieder schnaubte ich – nicht mehr lange, und man könnte mich auf Trüffeljagd schicken. »Klar doch.«
Er zuckte mit den Schultern. Allmählich ging mir seine Haltung ziemlich auf die Nerven. »Es liegt ganz bei dir«, sagte er. »Lass uns einen Spaziergang machen. Du musst bald wieder gehen, und ich glaube, du hast mehr davon, wenn du deine Zeit hier nutzt und dir darüber klarwirst, wer du bist und welche Fähigkeiten du hast.«
Ich folgte ihm und verbrachte den Rest der Nacht damit, mich wieder in der Welt meines Vaters und in seinem Schloss zurechtzufinden. Bald würde er mich mit anderen unserer Art bekannt machen, und es würden einige dabei sein, die mich weniger mochten als Verek. Es konnte also nicht schaden, wenn ich darauf vorbereitet war, denn ich wollte auf gar keinen Fall von einem weiteren Traum der Garde oder Schlimmerem angegriffen werden.
Doch wenn ich mich in der Traumwelt schützen wollte, war ich auf stärkere Hilfe als auf die meines Vaters allein angewiesen. Ich würde Antwoine brauchen. Und Noah. Ich wollte es mir nicht eingestehen, aber mein Vater hatte Zweifel gesät, was Noah anging. Auch wenn ich Noah mehr vertraute als Morpheus, war es trotzdem nicht verkehrt, ein wenig Vorsicht walten zu lassen.
Es begann sich alles zu einem sehr schlechten Traum zu entwickeln. Und für mich gab es kein Erwachen.
Der Freitag kam zuverlässig, herbeigesehnt wie immer. Beim Aufwachen fühlte ich mich seltsam, die Eindrücke meines Besuchs bei Morpheus waren noch allzu frisch. Ich konnte den Traum nicht wie einen normalen Traum ignorieren, schon wegen des Verbands an meiner Hand nicht. Die Wunde war fast vollständig verheilt, doch sie war vor dem Einschlafen noch nicht da gewesen.
In der Traumwelt mochte ich unsterblich sein, aber ich würde dort nur ewig leben, wenn ich nicht getötet wurde. Vor Verletzungen war ich offenbar nicht gefeit und konnte sie mit zurück in diese Welt nehmen, was wiederum bedeutete, dass ich leibhaftig in der Traumwelt gewesen sein musste. Hatte Noah recht gehabt mit seiner Vermutung, dass ich auf diese Weise in seinem Bett gelandet war? Wurde mein Körper in die Traumwelt hineingezogen, wenn ich schlief, oder bewegte ich mich zwischen den Dimensionen? Himmel, mir schwirrte der Kopf. Ich wusste, dass es die Möglichkeit gab, Portale zu öffnen, aber konnte ich dies unbewusst tun?
Hoffentlich hatte mein Onkel sein kleines »Haustier« bald gebändigt, damit Noah und ich unsere Ruhe vor ihm hatten. Natürlich wurden diejenigen, die Karatos bereits getötet hatte, dadurch nicht wieder lebendig, doch sollten die SUNDS -Fälle tatsächlich auf sein Konto gehen, dann wollte ich nicht wissen, wie viele Menschen, deren Tod natürlich aussah, er noch auf dem Gewissen hatte.
Wen wunderte es da, dass ich
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