Tochter des Glueck
es kommt nicht infrage.«
»Ich weiß, aber denk doch daran, wie viel Kummer allen erspart geblieben wäre, wenn May und ich unseren Herzen gefolgt wären«, sagt er.
Werde ich mich für alle Zeiten als die Betrogene fühlen? Wird er je verstehen, dass alles völlig anders verlaufen wäre, wenn er meinem Herzen gefolgt wäre?
»Aber du und May, ihr habt euch geliebt.« (Selbst nach all den Jahren schmerzt es mich noch, das auszusprechen.) »Joy kann Tao unmöglich lieben. Sympathie und Mitleid werden häufig mit Liebe verwechselt. Sie locken die Menschen in unglückliche Ehen, in ein unglückliches Leben. Woher wollen wir wissen, dass Tao kein blinder Hund ist, der einfach nur zufällig über eine gute Mahlzeit gestolpert ist?«
»Denkst du so über deinen Mann?«, fragt Z. G. Bevor ich antworten kann, fügt er hinzu: »Joy verspürt jedenfalls kein Mitleid mit Tao.« Er wendet sich an Joy. »Oder?«
»Ich liebe ihn«, sagt sie, und ich muss an May denken, als sie in diesem Alter war – stur, unvernünftig und romantisch.
Z. G. wendet sich wieder an mich. »Eine Frau ist wie eine Ranke. Ohne einen Baum, der sie stützt, kann sie nicht überleben. Hattest du das nicht in deiner Ehe?«
»Tao ist kein Baum«, widerspreche ich, aber Z. G.s Worte treffen mich hart. Ich hielt Sam für sehr robust. Ich dachte, er könnte mich, Joy, uns alle für immer stützen.
»Und Joy«, fährt Z. G. fort, »bewundert Tao als Künstler.«
Das verblüfft mich. »Aber du hast doch gesagt, er ist nicht sonderlich gut.«
»Trotzdem ist er ein Künstler«, sagt Z. G. achselzuckend.
Dieser egoistische Kommentar ist typisch für Z. G., aber seine Worte über meine Ehe haben mir einen Stich versetzt. Wer bin ich denn, dass ich sagen könnte, wie das Herz funktioniert? Sam war ein einfacher Rikschafahrer, als wir uns kennenlernten, und ich habe ihn sehr geliebt.
Ich begreife, dass ich den Kampf gegen diese Heirat nicht gewinnen kann, doch ich versuche, die Sache durch den Vorschlag hinauszuzögern, dass wir eine angemessene Feier in Shanghai abhalten. »Ich miete eine Blumensänfte, die dich zur Zeremonie bringt. Ich bestelle ein Bankett mit den besten Speisen. Du solltest die Hochzeit bekommen, die ich nicht hatte.«
»Mom, ich will diese Art von Hochzeit nicht. Wir sind im Neuen China. Du füllst ein paar Formulare aus, und schon bist du verheiratet. Das ist alles.«
»Du kommst hier nicht mehr weg. Du sitzt fest.« Ich wiederhole das für mich wichtigste Argument gegen diese Heirat.
»Ich will nicht zurück nach Shanghai«, beharrt Joy.
»Schatz, du kommst nicht aus Shanghai, aber du gehörst auch nicht ins Gründrachendorf. Du bist aus Los Angeles«, erinnere ich sie. »Das ist dein Zuhause.«
Daraufhin seufzen Z. G. und Joy alle beide. Offenbar haben Brautmütter überhaupt keine Ahnung.
Als Mädchen träumte ich von meiner Hochzeit – dem Kleid, dem Schleier, dem Festmahl, den Geschenken –, und nichts davon kam dann so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Als Mutter träumte ich von der Hochzeit meiner Tochter – einer Zeremonie in der Methodistenkirche in Chinatown mit all unseren Freunden, von Joys Kleid, meinem Kleid, den Blumen, dem Empfang im Soochow Restaurant – aber das wird nun auch ganz anders. Joy hatte recht damit, dass es offiziell überhaupt keine Zeremonie oder Feier geben soll, aber als Fremde und als jemand, der etwas Geld hat, kann ich die Vorschriften ein bisschen umgehen. Brigadeführer Lai nimmt das Bestechungsgeld nur zu gerne – einige meiner Bezugsscheine für Überseechinesen im Wert von weniger als zwanzig Dollar –, sodass ich meiner Tochter eine Hochzeit ausrichten kann, die der Vergangenheit huldigt und trotzdem dem Neuen China entspricht.
Die Zeremonie findet zwei Tage später bei Sonnenuntergang auf einem Hügel statt, von dem aus man die grünen Felder des Gründrachendorfs überblickt. Der Wind weht den Duft der Teesträucher von den Terrassen herüber. Die Braut trägt Hochzeitsrot – Yong hat das Kleid in einer Mitgifttruhe im Hofhaus gefunden. Joy hat das Beutelchen um den Hals, das May ihr geschenkt hat, und ich trage meines – Symbole dafür, wie Joy mit meiner Schwester und mir und wir drei mit meiner Mutter verbunden sind. Joys Haare sind in diesem Jahr gut fünfzehn Zentimeter gewachsen. Sie hängen ihr in zwei Zöpfen über die Schultern. Rote Wollfäden sind mit eingeflochten und wurden zu schweren Schleifen zusammengebunden. Ihre Wangen glänzen vor Glück und Hitze. Die
Weitere Kostenlose Bücher