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Tochter des Glueck

Tochter des Glueck

Titel: Tochter des Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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warm zu bleiben.
    Als ich wieder nach unten gehe, wirft Z. G. einen Blick auf mich und sagt: »Das passt hier nicht. Du bist jetzt in Shanghai. Komm bitte mit.«
    Ich weiß nicht, was an meinen Sachen nicht in Ordnung sein soll, denn er selbst trägt noch seine Reisekleidung und hat sich genauso wie ich gegen die Kälte im Haus eingepackt, aber ich folge ihm nach oben und dann eine weitere Treppe hinauf zum Dachboden. Ein paar Bilder von ihm lehnen an der Wand. Kisten und Truhen sind planlos auf dem Boden gestapelt, aber er weiß genau, wonach er sucht. Er hockt sich hin, öffnet eine Truhe und winkt mich zu sich.
    »Ich hatte früher ein Atelier, in dem ich deine Mutter und deine Tante gemalt habe«, erklärt er. »Als ich nach der Befreiung nach Shanghai zurückkehrte, bin ich dorthin gegangen. Meine Vermieterin hatte alles aufgehoben. Die Menschen gehen weg – in den Krieg, in andere Länder, um dem Klatsch zu entfliehen –, aber wir Chinesen kommen immer nach Hause zurück … wenn wir können. Meine Vermieterin wusste, ich würde irgendwann wiederkommen.«
    Er zieht einen pelzgefütterten schwarzen Brokatmantel heraus.
    »Hier, probier den mal an. Er gehörte deiner Mutter. Sie hat ihn irgendwann in meinem Atelier liegen lassen.«
    Ich ziehe das schwere deckenartige Ding aus grauer Wolle aus, das mich in Peking warm gehalten hat, und schlüpfe in Tante Mays Mantel.
    »Großartig«, sage ich, »aber ist der nicht zu auffällig?«
    »Mach dir darüber keine Sorgen«, beruhigt mich Z. G. »In Shanghai haben die Frauen schon immer pelzgefütterte Mäntel getragen.«
    Neugierig schaue ich nach, was sonst noch in der Truhe sein mag. Z. G. reicht mir eine lange rote Satinrobe mit einem daraufgestickten fliegenden Phönixpaar. »Das hat deine Mutter getragen, für ein Plakat, auf dem ich sie als Göttin porträtiert habe. Sie sah wunderschön darin aus. Schau, hier ist noch mehr.«
    Ich möchte seine Gefühle nicht verletzen, aber ich muss doch sagen, was auf der Hand liegt. »Das sind Kostüme.«
    »Zu besonderen Gelegenheiten konnte man sie tragen. Du hättest deine Mutter sehen sollen, wenn sie als Mulan gekleidet war, die Kriegerin …«
    Ich verstehe alte Leute nicht. Denkt er, ich wäre wie May, wenn ich eines dieser alten Kostüme anziehe? Sieht er denn nicht, dass ich ihr gar nicht ähnlich bin? Ich starre die Robe in meinem Schoß an. Der Stoff liegt weich und füllig in meinen Händen. Ich blicke zu Z. G. auf. Noch immer habe ich ihm nicht die Wahrheit über meine Kindheit erzählt, über meinen Vater Sam oder über die Wut, die ich auf meine Mutter und meine Tante in mir trage.
    »Für Kinder ist es nicht leicht, sich ihre Eltern vorzustellen, als sie jung waren«, sagt Z. G. »Aber wir hatten sehr viel Spaß, deine Mutter und ich. Auch deine Tante Pearl war wunderbar, aber May gehörte zu den Menschen, denen das Schicksal immer ein Lächeln schenkt. Komm, ich will dir noch etwas zeigen.«
    Vom Dachboden aus führt er mich in sein Schlafzimmer. Ich war bisher noch nie im Schlafzimmer eines Mannes. Das Zimmer meines Onkels Vern glich dem eines kleinen Jungen, voller Modellboote und -flugzeuge. Das Zimmer meiner Eltern trug den Stempel meiner Mutter – Lampen mit Rüschenschirmen, eine geblümte Tagesdecke und Spitzenvorhänge. Dieses Zimmer hier unterscheidet sich grundlegend davon: Es wird von einem schweren Bett mit vier Pfosten in dunklem Holz beherrscht (eindeutig ein Überbleibsel des Kolonialherrn, der hier vor der Befreiung wohnte). Schwerer Stoff in dem tiefen Rot der Wände der Verbotenen Stadt liegt über der daunengefüllten Steppdecke. Alles ist ordentlich und warm, bis auf die Wand über dem Kamin, wo das Porträt von Tante May hängt. Sie ist in irgendeinen durchsichtigen Stoff gewickelt, aber nichts wird verborgen. Sie ist völlig nackt. Ich kenne Tante May schon mein ganzes Leben. Sechs Jahre lang habe ich mit ihr gemeinsam auf der Veranda geschlafen. Ich habe gesehen, wie sie von ihren Geschäftsessen spätabends nach Hause kam – sie roch ein bisschen nach Alkohol, und ihre Kleider saßen nicht mehr perfekt –, aber so habe ich sie nicht ein einziges Mal gesehen.
    »Das ist deine Mutter, schön wie nie«, sagt Z. G.
    Ich muss an meine Mutter Pearl denken: Lass dir nichts ansehen. Zeige ihm nicht, wie erschrocken du bist. Tu so, als wäre das auch nur ein Bild. Ich nicke, versuche munter zu wirken, glücklich auszusehen, aber mir ist zum Kotzen. Aufs Land zu fahren, die

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