Todesdrang: Thriller (German Edition)
dachte er nach, ging alle logischen Variablen durch, suchte nach dem Fehler im Programm:
Versteckte Bukowski sich möglicherweise noch im Haus?
Nein, das war eher unwahrscheinlich. Die beiden uniformierten Idioten hatten sicher jeden Raum durchsucht. Aber wie war er ihnen dann entkommen?
War er durch den Garten geflüchtet?
Nein, er war mit Bukowski zu diesem Zeitpunkt noch online gewesen. Er konnte sich nur im oberen Stockwerk aufgehalten haben. Im Büro. Und von dort aus gab es keine realistische Fluchtmöglichkeit. Oder etwa doch?
Herrgott, Bukowski war ein Banker, ein verdammter Buchhalter! Wie konnte er da vor den Bullen fliehen? Das entsprach nicht dem errechneten Muster. Es war einfach nicht logisch. Der Typ hielt sich nicht an die Spielregeln!
Na gut. Dann musste er ihn eben ausfindig machen, wenn die Polizei das nicht auf die Reihe bekam. Hektisch griff er nach seinem Handy und stellte entsetzt fest, dass der Akku leer war. Er hatte in der Aufregung tatsächlich vergessen, ihn aufzuladen. Sein Blick fiel auf den Laptop neben ihm. Doch er hatte das entsprechende Programm darauf nicht installiert, das er benötigte, um Bukowskis Position zu ermitteln. Wie konnte er nur so dumm sein? Wie konnten ihm solche stümperhaften Fehler unterlaufen?
Er spürte, wie der Drang sich wieder bemerkbar machte. Das durfte er nicht zulassen. Nicht jetzt, nicht hier. Er musste nach Hause, musste zu seiner Mutter, wieder einen klaren Kopf bekommen, die Sache in Ruhe analysieren … und Bukowski lokalisieren.
Im Rückspiegel sah er, wie der Streifenwagen in die Hauptstraße einbog. Dann startete er den Motor und fuhr mit finsterem Blick in die anbrechende Dunkelheit.
Die Lichter des Streifenwagens erreichten die Einmündung zur Hauptstraße, als Dirk sich mit letzter Kraft hinter den Jägerzaun warf, der den Vorgarten des dahinterliegenden Hauses eingrenzte. Eine Welle aus Schmerz durchspülte sein Bein, als er auf dem harten Boden aufschlug und der feinpulvrige Schnee ihn halb begrub. Stöhnend biss er sich auf die Lippe, um einen Schrei zu unterdrücken. Vorsichtig blickte er auf und hielt den Atem an, als er durch die Verstrebung der Umzäunung erkennen konnte, wie der Streifenwagen neben ihm auftauchte.
Fahr weiter , flehte er in Gedanken. Fahr weiter, bitte!
Der Wagen passierte ihn und bog in eine Nebenstraße ein. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis andere Polizisten auftauchen würden. Er musste schnellstens von hier weg.
Du verdammter Idiot hättest nie hierherkommen dürfen , fluchte er stumm in sich hinein.
Als er sich aufsetzte, wurde ihm schlagartig schwindelig, sodass er sich gegen den Zaun lehnen musste. Sein Blick trübte sich. Die Häuserreihen, das Licht der Straßenlampen, der verschneite Vorgarten, das alles erschien ihm plötzlich verzerrt und surreal. Der Wahnsinn der letzten Stunden hatte all seine Kräfte aufgezehrt.
Du darfst jetzt nicht das Bewusstsein verlieren!
Er griff neben sich in den Schnee und rieb ihn sich ins Gesicht. Sofort spürte er, wie er wieder zu Sinnen kam. Seine Gedanken wurden klarer. Er nahm noch eine Handvoll und noch eine – bis er plötzlich bemerkte, dass der Schnee in seiner Hand voller Blut war.
Im ersten Moment glaubte er zu halluzinieren. Doch dann sah er das blutige Rinnsal neben sich dunkel im Schnee schimmern. Und er spürte die warme Feuchtigkeit, die zäh und klebrig an seinem Bein haftete.
Das Messer!
Es lag neben ihm im Schnee. Erst jetzt realisierte er, dass die Spitze der Klinge blutverschmiert war.
Langsam knöpfte er den Mantel auf und schlug ihn beiseite. In seiner Hose war ein vier Zentimeter breiter Einstich, umgeben von Blut.
Die Klinge musste sich beim Sturz aus dem Fenster durch die Manteltasche in seinen Oberschenkel gebohrt haben, ohne dass er es bemerkt hatte. Zu sehr war er mit seinen Fluchtgedanken beschäftigt gewesen, mit dem Drang nach Vergeltung.
Hatte sein Hass ihn so blind gemacht? Was hatte ihn überhaupt dazu bewogen, in dieses gottverdammte Haus zu gehen?
Vorsichtig inspizierte er die Wunde. Sie war tief und blutete stark. Er musste schnellstens die Blutung stoppen, um nicht früher oder später das Bewusstsein zu verlieren.
Mit zitternden Fingern kramte er aus der Innentasche seines Mantels eine Packung Papiertaschentücher hervor und verteilte sie über die Wunde. Anschließend zog er sich den Schal vom Hals, wickelte ihn um sein Bein und verknotete ihn stramm. Das musste fürs Erste genügen. Er würde sich später
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