Todesdrang: Thriller (German Edition)
ausführlicher darum kümmern. Sofern er die Gelegenheit dazu bekam.
Behutsam zog er sich an dem Zaun hoch und belastete das verletzte Bein. Das Brennen war mittlerweile in ein Pochen übergegangen, aber immerhin konnte er einigermaßen gehen. Es hätte ihn durchaus schlimmer treffen können.
Der Kerl hätte dir den Kopf absägen und ihn samt Silbertablett auf der nächsten Polizeiwache abgeben können , dachte er, als er über den Zaun stieg und humpelnd in die nächste Querstraße einbog. Immerhin hatte er seinen Sarkasmus noch nicht verloren.
Die Straßen zogen sich endlos durch das Grau der Dämmerung. Immer wieder sah er sich um und zuckte zusammen, wenn in der Entfernung die Scheinwerfer eines Autos aufblitzten. Er versuchte, sich stets in der Nähe von parkenden Fahrzeugen zu bewegen, um nötigenfalls in Deckung gehen zu können, bis er endlich seinen Wagen erreichte. Erschöpft ließ er sich auf dem Fahrersitz nieder, während in der Ferne die Sirenen heulten. Wie gerne würde er seine Gedanken ausschalten und jetzt einfach nur schlafen. Er schloss die Augen und spürte, wie das Pochen in seinem Bein nachließ, wie sich seine Muskeln mehr und mehr entspannten. Der Drang ließ nach, die Bestie in ihm verlor an Macht. Doch er durfte sich diesem Moment der Ruhe jetzt nicht hingeben. Er hatte zu tun. Er musste endlich das Paket, das immer noch in seinem Kofferraum lag, loswerden.
Nur einen kurzen Moment , dachte er, während die Müdigkeit mehr und mehr Besitz von ihm ergriff.
Nur ein paar Minuten, ein kleines bisschen Ruhe … bitte …
… loswerden …
… Kofferraum …
…
Ungeduldig und schlecht gelaunt betrat Kommissar Sven Becker das Haus in der Westerwaldstraße. Ein langer Tag lag hinter ihm, und eigentlich hatte er längst Feierabend. Doch seine Pläne für ein gepflegtes Abendessen mit seiner Freundin musste er wohl vorerst auf Eis legen. Er brauchte wahrlich kein guter Ermittler zu sein, um dem Grund dafür auf die Spur zu kommen, dass seine Ehe vor gut einem Jahr gescheitert war.
Es war bereits das zweite Mal innerhalb weniger Stunden, dass er dieser kleinen Gemeinde einen Besuch abstatten musste. Und nach dem, was ihm die beiden Kollegen bei seiner Ankunft berichtet hatten, konnte er davon ausgehen, dass es dieses Mal länger dauern würde. Bereits als dieser Vorfall an die Zentrale gemeldet wurde, beschlich ihn das ungute Gefühl, dass zwischen diesen beiden Fällen ein Zusammenhang bestand. Das sagte ihm jedenfalls seine Intuition.
»Wie weit seid ihr?«, fragte Becker, als ihm auf dem Flur im Erdgeschoss ein Mann in weißer Schutzkleidung begegnete, der gerade die Treppe herunterkam. »Ich frier mir da draußen den Arsch ab.«
»Ihr werdet euch schon noch ein wenig gedulden müssen«, entgegnete Martin Daum gelassen, während er sich die Schutzhaube vom Kopf strich. Als Leiter der Spurensicherung hatte er sich an die Ungeduld der zuständigen Ermittler längst gewöhnt. »Bei dem ganzen Blut und den Leichenteilen wird es noch ein Weilchen dauern, bis wir alles zugeordnet haben. Meine Leute haben es ohnehin schon schwer genug, da oben Spuren zu sichern, ohne irgendwo reinzutreten. Da kann ich euch nicht auch noch gebrauchen.« Er zog sich die Latexhandschuhe aus, holte ein Taschentuch aus der Jacke, die er unter dem Overall trug, und schnäuzte sich geräuschvoll die rötlich angelaufene Nase. »Außerdem ist es hier drin auch saukalt. Ich hole mir hier noch den Tod.«
Becker seufzte. »Wie hoch stehen die Chancen, dass ich noch rechtzeitig zu meiner Verabredung komme?«
»Nicht besser als meine, in ein heißes Bad zu steigen«, sagte Daum und grinste ihn an.
»Na schön«, sagte Becker, »gib mir einen groben Überblick.«
Daum rieb sich die Nase. »Zwei männliche Leichen«, begann er, »beide in erbärmlichem Zustand, um es mal vorsichtig auszudrücken. Bei der einen handelt es sich um den Eigentümer des Hauses. Er liegt gefesselt auf dem Bett im Schlafzimmer. Sein Körper weist diverse Verletzungen und Hämatome auf, die vermutlich durch einen oder mehrere stumpfe Gegenstände verursacht wurden. Mehrere Knochen sind zertrümmert. Wie es aussieht, ist der Mann über mehrere Stunden gefoltert worden. Anschließend hat man ihm die Genitalien abgeschnitten und in den Mund gestopft. Höchstwahrscheinlich ist er verblutet.«
Becker hielt einen Moment lang inne, als er sich die Szenerie vorzustellen versuchte. Mit der Zeit hatte er gelernt, solche Dinge nicht mehr zu nahe an sich
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