Todesdrang: Thriller (German Edition)
unbekannten, dunkel gekleideten Person.«
»Ja, das haben die beiden Kollegen mir auch berichtet«, sagte Daum. »Allerdings glaube ich nicht, dass es sich dabei um einen Einbrecher gehandelt hat. Das müsste schon ein ziemlich abgebrühtes Arschloch gewesen sein, wenn er sich in der Sauerei hier seelenruhig nach Beute umgesehen hat. Zumal die meisten Wertgegenstände sich hier unten befinden. Die Abdrücke haben wir aber oben auf dem blutverschmierten Boden vor dem Schreibtisch gefunden. Glatte, profillose Ledersohle. Wie viele Einbrecher mit Business-Schuhen kennst du?«
Becker erwiderte nichts. Unwillkürlich musste er an die Befragung vom Nachmittag denken, an Bukowskis nervöses Verhalten und seinen hektisch wippenden Fuß. Herrenschuhe mit glatter Ledersohle!
»Außerdem«, fuhr Daum fort, »konnten wir keinerlei Spuren im Schnee unter den Fenstern ausmachen. Die einzigen Abdrücke neben dem Haus stammen von den Streifenbeamten.«
»Wie ist der Kerl dann ins Haus gekommen?«
Wieder zuckte Daum mit den Schultern. »Aber ich kann dir zumindest sagen, wie er wieder rausgekommen ist. Komm mit.«
Becker folgte Daum durch das Wohnzimmer auf die Terrasse, wo die Kälte durch den Wind noch beißender erschien. Mehrere Scheinwerfer waren aufgestellt worden und verwandelten den Garten in eine schneebedeckte Bühne, auf der zwei von Daums Mitarbeitern damit beschäftigt waren, Spuren zu vermessen und sie fotografisch festzuhalten.
Daum deutete auf das Gerätehaus und die gebrochene Kunststoffrinne im Schnee. »Den Aufprallspuren auf dem Dach und dem Boden nach zu urteilen ist der Kerl aus dem Fenster da oben gesprungen.«
Becker folgte Daums nach oben gerichtetem Finger, wo sich das Licht der Scheinwerfer oberhalb des Giebels in der Dunkelheit verlor. »Ziemlich riskant.«
»Stimmt. Trotzdem dürfte unser Mann das Ganze relativ unbeschadet überstanden haben. Es gibt zwar einige Blutspuren im Schnee, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht sein Blut ist, sondern das eines der Opfer, das an seinen Schuhen klebte. Anschließend ist er jedenfalls über den Zaun und das angrenzende Feld bis zur Hauptstraße geflüchtet. Danach verliert sich seine Spur. Wir haben bereits einen Spürhund angefordert. Allerdings sind die Kollegen momentan noch anderweitig im Einsatz.«
»Demnach hat sich der Kerl also noch im Haus aufgehalten, als die Kollegen hier eingetroffen sind.«
»Weshalb sollte er wohl sonst einen solchen Stunt hinlegen? Die beiden Kollegen behaupten jedenfalls felsenfest, dass diese Spuren noch nicht da waren, als sie durch die Terrassentür das Haus betreten haben.«
»Vielleicht ist der Täter noch einmal zurückgekommen«, mutmaßte Becker.
»Möglich«, erwiderte Daum. »Gründe dafür hätte er jedenfalls genug.«
Noch einmal sah Becker zu dem Fenster hinauf. »Wie lange bist du jetzt schon bei der Kriminaltechnik?« Seine Frage klang wie ein langgezogenes Seufzen.
»Knapp zwanzig Jahre. Wieso?«
»Und wie viele solcher Tatorte hast du in dieser Zeit gesehen?«
»Zu viele, genau wie du.« Daum ging auf seinen Kollegen zu. »Aber wenn du jetzt eine Erklärung von mir erwartest, weshalb jemand so etwas tut, dann muss ich dich leider enttäuschen. Das wüsste ich auch nach vierzig Dienstjahren nicht zu sagen.«
Becker nickte. »Was ist mit der Tatwaffe?«
»Handelsübliche Marke. Allerdings mit einem verhältnismäßig auffälligen Aufkleber an der Seite. Über die Herkunft kann ich noch nichts Genaues sagen.«
»Fingerabdrücke?«
»Der Typ hat Handschuhe getragen. Aber vielleicht lässt sich im Labor an der Säge noch was finden. Ansonsten ist der obere Bereich recht sauber. Hier unten konnten wir zwar etliche Fingerabdrücke sichern, aber die dürften vermutlich von den Bewohnern stammen.«
Becker seufzte.
»Eine Sache ist mir allerdings noch aufgefallen.« Daum rieb sich wärmend die Hände. »Es gibt in dem Büro so gut wie keine Stelle, die nicht mit Blut oder Gewebe bespritzt ist. Decke, Wände, Schreibtisch … bis auf zwei Ausnahmen: Computermonitor und Tastatur. Nicht mal mit einer Luminol-Lösung konnten wir darauf Blut nachweisen.«
»Und das heißt?«
»Sie müssen vor der Tat mit etwas abgedeckt worden sein«, sagte Daum. »Vermutlich mit zwei der Handtücher, die wir im Bad gefunden haben.«
»Also hat er den Computer später noch gebraucht.«
Daum nickte. »Zwar gab es auf der Tastatur keinen einzigen verwertbaren Fingerabdruck, aber dafür konnten wir dunkle Fasern
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