Todesdrang: Thriller (German Edition)
Kind zu erklären?«, fragte er. »Glaubst du wirklich, er wollte seine eigene Familie aus dem Weg räumen, weil sie von seinen Neigungen wusste?«
»Entweder das, oder es war tatsächlich nur ein Unfall. Vielleicht wollte seine Frau ihn verlassen, nachdem sie die Beweise gesehen hatte. Das würde auch seinen gesteigerten Hass auf Brunner und Kuhn, diese unglaubliche Brutalität, erklären. Jedenfalls kam er mir bei unserem Besuch nicht unbedingt wie ein Trauernder vor. Und dann diese hirnrissige Geschichte mit dem Obdachlosen. Wenn du mich fragst, versucht der nur seinen Arsch aus dem Dreck zu ziehen. Sonst wäre er jetzt wohl kaum untergetaucht.«
Becker trat an die Tafel und ging auf die Fotos der beiden Opfer zu. »Gehen wir also mal davon aus, dass es sich tatsächlich so abgespielt hat. Die Tatzeit liegt zwischen fünf Uhr morgens und zwei Uhr mittags desselben Tages. Bukowski war nachweislich die ganze Nacht im Krankenhaus; erst nach elf Uhr vormittags hat er es verlassen. Zu Hause haben wir ihn gegen vierzehn Uhr dreißig angetroffen. Dazwischen liegen also etwas mehr als drei Stunden. Ein ziemlich enger Zeitplan, um einen Mann zu Tode zu foltern und einen anderen in Stücke zu zerlegen, findest du nicht?«
»Eng ja, aber nicht unmöglich«, entgegnete König. »Er hätte bereits im Krankenhaus ein Treffen mit den beiden vereinbaren können. So brauchte er nur noch sein Werkzeug zu holen und zur Schlachtbank zu fahren. Danach ist er zu seinem Haus zurückgekehrt und hat sich umgezogen.«
»Und lässt die Tatwaffe und seine gesamte Ausrüstung am Tatort zurück?«
»Möglicherweise wollte er damit warten, bis es dunkel ist. Immerhin ist er nach unserem Besuch noch einmal dorthin zurückgekehrt. Vielleicht hat er Panik bekommen und ist durchgedreht. Nach den Morden muss er ziemlich durcheinander gewesen sein.«
»Aber den Kopf der Leiche hat er mitgenommen? Wozu? Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Und es widerspricht jeglichem Mordmotiv aus Hass, das ich kenne. Wenn er die beiden einfach erschlagen oder erstochen hätte, okay. Aber das hier sieht mir nicht nach einer Tat im Affekt aus.«
»Am Motiv gibt es jedenfalls keine Zweifel.«
»Dann erklär mir bitte mal Folgendes«, setzte Becker an. »Warum macht sich jemand die Mühe, eine Leiche zu zerteilen, und nimmt dann nur den Kopf mit? Und jetzt komm mir bloß nicht wieder mit diesem Trophäenquatsch!«
König zuckte die Achseln. »Offensichtlich haben wir ihn gestört. Möglicherweise wollte er den Rest auch noch entsorgen.«
»Und richtet uns dann die andere Leiche auf dem Präsentierteller an? Du musst zugeben, das ist nicht sehr plausibel. Für mich hat es eher den Anschein, als hätte hier jemand einen sadistischen Spaß am Morden gehabt. Dabei ging es meiner Meinung nach eindeutig um Macht. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass der Täter seine Macht länger als drei Stunden ausgekostet hat.« Er tippte mit den Fingern auf eine Großaufnahme von Brunners Kopf. Darauf war eine etwa fünf Zentimeter lange verkrustete Narbe zu erkennen. »Das kam vorhin per Mail aus der Gerichtsmedizin«, sagte Becker, »und die haben mir bestätigt, dass diese Platzwunde an Brunners Kopf bereits mehrere Tage alt sein muss. Unter der gelben Sprühfarbe an den Haaren war sie zunächst niemandem aufgefallen. Die Farbe sollte die Wunde wahrscheinlich überdecken.«
König trat an die Wand und betrachtete den Ausdruck genauer. »Diese Wunde hätte er sich bei sonst was zuziehen können. Sie muss nicht mit seiner Ermordung in Zusammenhang stehen.«
»Sicher. Aber diese Verletzung passt zu den anderen, die man an seinem Körper gefunden hat. Sie stammen alle von einem runden, stumpfen Gegenstand – einem Rohr oder Stemmeisen. Außerdem hat Cerwinski mir vor einer halben Stunde gesteckt, dass Brunner sich am Montagmorgen bei seiner Generalagentur krankgemeldet und sämtliche Termine für diese Woche abgesagt hat.«
»Vermutlich, weil er sich am Wochenende verletzt hatte«, beharrte König.
»Oder weil er von jemandem aufgesucht und überwältigt worden ist«, sagte Becker. »Der Gerichtsmediziner meinte, dass die Wucht eines solchen Schlags durchaus ausgereicht hätte, Brunner eine Zeitlang außer Gefecht zu setzen.«
König dachte einen Moment über diese Möglichkeit nach. »Aber wenn das stimmt, würde das bedeuten, dass der Täter Brunner einige Tage lang in seiner Gewalt hatte. Dafür müsste es doch noch mehr Anhaltspunkte geben: Verwahrlosung, Bartwuchs und
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