Todesengel
abgekratzt habe.
»Heiliger Bimbam!« rief Calhoun. »Das ist ja wunderbar!«
Als eine weitere Schwester bei David anrief, die auf der Krankenstation in der zweiten Etage arbeitete und über Grippesymptome klagte, bat er sie, sofort in seine Praxis zu kommen. Die Krankenschwester war ziemlich überrascht, daß sie David ihre Symptome gar nicht zu beschreiben brauchte; er wußte genau, unter welchen Beschwerden sie litt. Sie hatte die gleichen Probleme wie er, nur bei ihr waren sie noch etwas deutlicher zutage getreten. Hinzu kam, daß sie nicht auf die Standardmedikamente gegen Übelkeit und Durchfall angesprochen hatte. Außerdem hatte sie beinahe neununddreißig Grad Fieber.
»Hatten Sie auch verstärkten Speichelfluß?« fragte David. »Ja«, antwortete sie. »So etwas habe ich vorher noch nie gehabt.«
»Ich auch nicht«, bemerkte David.
Als David sah, wie schlecht es der Schwester ging, war er noch dankbarer, daß seine eigenen Beschwerden im Laufe des Tages immer mehr zurückgegangen waren. Er schickte die Krankenschwester nach Hause und empfahl ihr, sich ins Bett zu legen und jede Menge zu trinken; außerdem riet er ihr, ein fiebersenkendes Mittel zu nehmen. Nachdem David den letzten Patienten aus seiner Nachmittagssprechstunde versorgt hatte, ging er hinüber zur Krankenstation, um nach seinen Patienten zu sehen. Im Laufe des Nachmittags hatte er mehrmals nach Sandra und nach Nikki geschaut; deshalb rechnete er nicht mit einer weiteren Überraschung.
Als er die Intensivstation betrat, entdeckte Nikki ihn sofort. Sie strahlte über das ganze Gesicht, und sie hatte sich schon wieder erstaunlich gut erholt. Sie hatte sehr gut auf die intravenöse Gabe der Antibiotika angesprochen, und auch die Medikamente, die ihr der Atemtherapeut verordnet hatte, schienen Wirkung zu zeigen. Offenbar machten ihr nicht einmal die Unruhe und die Hektik der Intensivstation etwas aus. Trotzdem war David froh, als er hörte, daß seine Tochter am nächsten Morgen auf die normale Station verlegt werden sollte.
Der Zustand von Sandra hatte sich hingegen stetig verschlechtert. Sie war kein einziges Mal mehr aus dem Koma aufgewacht. Die Fachärzte, die David konsultiert hatte, waren keine Hilfe gewesen. Dr. Hasselbaum behauptete steif und fest, Sandra habe auf keinen Fall eine Infektionskrankheit, und der Onkologe zuckte nur mit den Schultern und sagte, er könne nichts für sie tun. Er beharrte allerdings darauf, daß ihr Melanom erfolgreich behandelt worden sei.
David setzte sich an den Schreibtisch der Intensivstation und studierte die neuen Befunde. Die Kernspintomographie ihres Schädels hatte kein negatives Ergebnis: Sie hatte keinen Tumor und mit Sicherheit auch keinen Hirnabszeß. Auch die Ergebnisse der Laboruntersuchungen brachten keine weiteren Erkenntnisse. David hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Eigentlich gab es nur eine Möglichkeit: Er mußte versuchen, Sandra in eines der großen Universitätskrankenhäuser in Boston verlegen zu lassen. Doch er wußte genau, daß die CMV wegen der hohen Kosten einem solchen Vorschlag niemals zustimmen würde, und allein konnte David die Entscheidung nicht treffen.
Während er noch über Sandras Zustand grübelte, betrat Charles Kelley die Intensivstation und steuerte auf die Schreibecke zu. David war überrascht, daß Kelley sich auf die Intensivstation wagte; die Verwaltungsbürokraten des Krankenhauses blieben solchen Orten normalerweise tunlichst fern, weil sie sich davor scheuten, mit schwerkranken Menschen konfrontiert zu werden. Sie zogen es vor, in ihren schmucken Büros zu sitzen und in den Patienten lediglich abstrakte Objekte zu sehen. »Ich hoffe, ich störe Sie nicht«, sagte Kelley. Er hatte wieder sein schleimiges Lächeln aufgesetzt. »In der letzten Zeit haben Sie mich eigentlich immer gestört, wenn ich Sie gesehen habe«, erwiderte David. »Das tut mir wirklich leid«, sagte Kelley herablassend. »Ich habe eine interessante Nachricht für Sie. Ihre Dienste sind von jetzt an nicht mehr erwünscht.«
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie mir auch die Verantwortung für Sandra Hascher entziehen wollen?« fragte David. »Ganz genau«, erwiderte Kelley mit Genugtuung und grinste breit. »Aber nicht nur die Verantwortung für Mrs. Hascher, sondern auch die für all Ihre anderen Patienten. Sie sind entlassen. Die CMV beschäftigt Sie nicht länger.« David blieb vor Überraschung der Mund offenstehen. Verwirrt schaute er hinter Kelley her, der ihm zum Abschied
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