Todesreigen
seinen Revolver vor: »Machen Sie, dass Sie wegkommen, Mister. Wenn Sie tun, was ich sage, passiert keinem was.«
Der Mann erwiderte ruhig: »Wenn Sie den Wagen wollen, dann nehmen Sie den Wagen. Nehmen Sie
meinen
. Er ist neu. Hat gerade achtzehntausend auf dem Tacho.« Er hielt ihm die Schlüssel entgegen.
»Ich nehm sie und ihr Auto. Und Sie machen, dass Sie aus dem Weg kommen.« Der Revolver zitterte. Der junge Mann war dürr, ein Hinterwäldler mit spülwasserbraunen Haaren, die zu einem schlangenartigen Pferdeschwanz gebunden waren.
Der Lincoln-Mann lächelte und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Schauen Sie, mein Freund. Autos klauen ist keine große Sache. Aber eine Anklage wegen Entführung oder Vergewaltigung? Vergessen Sie es! Sie werden für immer aus dem Verkehr gezogen.«
»Verdammt noch mal, verschwinden Sie!«, krächzte er. Er trat ein paar Schritte vor und zwang Carolyn, an seiner Seite zu bleiben. Sie winselte, auch wenn sie sich dafür hasste. Sie hatte die Kontrolle über sich verloren.
Der Lincoln-Mann wich kein Stück zurück, und der Angreifer stieß ihm die Waffe direkt ins Gesicht.
Was dann passierte, passierte schnell.
Nämlich Folgendes:
Der Lincoln-Mann zeigte dem Bewaffneten in einer Geste der Kapitulation seine leeren Handflächen, wobei er einen kleinen Schritt zurücktrat.
Die Beifahrertür öffnete sich, und der junge Mann schob Carolyn hinein. (Carolyn dachte verrückterweise: Ich hab noch nie auf dem Beifahrersitz meines Wagens gesessen, der Sitz ist zu weit vorn, ich werde mir die Strumpfhose zerreißen…)
Der Entführer lief vorn um den Lexus herum auf die Fahrerseite und zwang den Lincoln-Mann, der die Hände noch immer erhoben hatte, dazu, aus dem Weg zu gehen.
Carolyn schaute hoffnungslos zum Fenster des Tankstellengebäudes. Der junge Mann stand nach wie vor hinter der Theke, aß Kartoffelchips und verfolgte
Roseanne
auf dem winzigen Fernseher.
Der Entführer wollte gerade in den Wagen steigen, hielt aber inne, als er bemerkte, dass der Zapfhahn immer noch in der Tanköffnung steckte.
In diesem Moment machte der Lincoln-Mann einen Satz nach vorn und packte die Hand, in der der Entführer seinen Revolver hielt. Der junge Mann schnappte überrascht nach Luft und versuchte verzweifelt, seine Hand freizubekommen.
Doch der Lincoln-Mann war stärker. Carolyn drückte ihre Tür auf und sprang aus dem Wagen. Die beiden Männer fielen auf die Motorhaube des Lexus und kämpften um die Waffe. Mehrere Male schlug der Lincoln-Mann das Handgelenk seines Gegners kräftig gegen die Windschutzscheibe, bis sich der schwarze Revolver aus seinem Griff löste. Carolyn blinzelte, als die Waffe vor ihren Füßen landete. Doch es löste sich kein Schuss.
Sie hatte nie im Leben eine Waffe in der Hand gehalten, und schon gar keinen Revolver. Jetzt bückte sie sich, hob ihn auf, spürte sein Gewicht und seine Wärme. Sie drückte den Lauf ins Gesicht ihres Angreifers. Er wurde schlaff wie ein Stück Stoff.
Der Lincoln-Mann – der den anderen um einen guten Kopf überragte – rollte sich von der Motorhaube herunter und packte ihn am Kragen.
Der junge Mann blickte in Carolyns unsichere Augen und schien zu begreifen, dass sie nicht in der Lage wäre, auf jemanden zu schießen. Mit überraschender Kraft schob er den Lincoln-Mann zur Seite und verschwand zwischen den an die Tankstelle grenzenden Büschen.
Carolyn riss den Revolver herum und zielte grob in seine Richtung.
Mit energischer Stimme mahnte der Lincoln-Mann: »Schießen Sie nur auf seine Beine, nicht auf den Rücken. Wenn Sie ihn umbringen, bekommen Sie ziemlichen Ärger.«
Doch ehe sie ihre zitternden Hände unter Kontrolle bringen konnte, war der Mann längst verschwunden.
In einiger Entfernung wurde ein Wagen mit knatterndem Auspuff angelassen. Dann hörte man das Quietschen von Reifen.
»Oh Gott, oh Gott…« Carolyn schloss die Augen und lehnte sich gegen ihren Wagen.
Der Lincoln-Mann trat neben sie: »Alles in Ordnung?« Sie nickte: »Ja. Nein. Ich weiß nicht… Was soll ich sagen? Vielen Dank.«
»Ähm…« Er deutete mit dem Kopf auf die Waffe, deren Lauf sie sorglos in Richtung seines Bauchs hielt.
»Oh, tut mir Leid.« Sie wollte ihm den Revolver reichen. Er warf einen Blick darauf und erklärte: »Sie behalten ihn besser so lange, bis die Polizei hier ist. Ich muss mich von Waffen so weit wie möglich fern halten.«
Das verstand Carolyn nicht. Einen Moment lang fragte sie sich, ob er sich vielleicht
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