Todesrennen
Sie den Jungs einen aus.«
»Nicht bevor wir in San Francisco sind. Von jetzt an schlafen wir stocknüchtern unter unserer Pusher. Und jede Nacht bleibt ein Mann wach.«
Bell dachte voller Unbehagen darüber nach, dass von drei Sabotageakten nur einer Harry Frost zugerechnet werden konnte. Drei Sabotageakte waren es gewesen, seit sich die Rennteilnehmer im Belmont Park versammelt hatten. Sir Eddison-Sydney-Martin war zwei Mal das Opfer, Platow und der arme Mechaniker Judd waren es beim dritten Mal. Sir Eddison-Sydney-Martins erster Absturz musste eindeutig ein Ablenkungsmanöver gewesen sein, das von Harry Frost inszeniert worden war, um Josephine zu töten.
Aber konnte er den zweiten Angriff auf Eddison-Sydney-Martin ebenfalls Harry Frost zur Last legen? Welchen Vorteil hatte Frost von Eddison-Sydney-Martins Abstürzen? Die gleiche Frage hatte er sich auch schon im Belmont Park gestellt, nämlich: Was hatte Harry Frost davon, dass Dmitri Platows Motor von der Schiene sprang und einen Mechaniker tötete? Attackierte Frost das gesamte Rennen, anstatt sich ausschließlich auf die Ermordung seiner Frau zu konzentrieren? Das ergab zu diesem Zeitpunkt keinen Sinn. Frost verhielt sich gewöhnlich viel zu zielgerichtet, um auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen. Er würde ausschließlich den Tod seiner Frau im Auge haben, ein Verbrechen, das, wenn erfolgreich ausgeführt, den Begleiteffekt hätte, Preston Whiteways Rennen zu schaden.
Aber zu welchem Zweck war Platows Maschine von einem Saboteur zerstört worden, der nicht von Frost engagiert worden war? Und zu welchem Zweck war der Absturz der Curtiss Pusher herbeigeführt worden?
Um einen potentiell starken Konkurrenten auszuschalten – das bot sich als die nächstliegende Antwort an.
Doch wer hatte davon einen Nutzen? Drei Möglichkeiten gingen Bell durch den Kopf, zwei wahrscheinliche und eine seltsame, aber nicht vollkommen unwahrscheinliche. Der Saboteur konnte ein Konkurrent sein – einer der Vogelmenschen –, der seine stärksten Rivalen ausschaltete. Oder der Saboteur konnte ein Wetter sein, der versuchte, den Ausgang des Rennens zu beeinflussen, indem er Spitzenreiter eliminierte. Oder, als seltsame Variante, konnte der Saboteur vielleicht der Rennveranstalter selbst sein, der damit erhöhte Aufmerksamkeit erzeugen wollte.
Am wahrscheinlichsten war ein Teilnehmer, der sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen suchte, dass er seinen stärksten Rivalen beseitigte. Fünfzigtausend Dollar waren eine große Summe, mehr Geld als ein Arbeiter in seinem ganzen Leben verdienen konnte.
Aber die Geldsumme, die im Verlauf des Rennens durch Wetten eingenommen werden konnte, war bei weitem höher als der Betrag, der sich gewinnen ließ, indem ein Pferderennen manipuliert wurde. »High Roller« wie Johnny Musto wären die Nutznießer.
Preston Whiteway stellte eine dritte, seltsame Möglichkeit dar. Bell konnte nicht vergessen, dass der Verleger unverblümt geäußert hatte, das Beste, was geschehen könne, um das Interesse der Leute am Rennen wachzuhalten, wäre ein absturzbedingtes Ausscheiden der Hälfte der männlichen Konkurrenten vor der Ankunft in Chicago. »Eine natürliche Reduzierung des Teilnehmerfeldes«, hatte er es kühl formuliert, »steigert das Rennen zu einem Duell, in dem sich nur noch die besten Flieger mit der jungenhaften, unbekümmerten Josephine messen.«
Zu weit hergeholt? Aber war Preston Whiteway wirklich darüber erhaben, Abstürze von Flugmaschinen zu inszenieren, um mehr Zeitungen zu verkaufen? Wahrheitsliebe, Fakten und moralischer Anstand hatten ihn schließlich auch nicht von dem Versuch abgehalten, wegen der Großen Weißen Flotte einen Krieg mit Japan vom Zaun zu brechen. Und ebenso wenig war er dadurch abgehalten worden, die Versenkung des Schlachtschiffes Maine zu nutzen, um zu einem Spanisch-Amerikanischen Krieg aufzustacheln.
Als der übereilt reparierte alettone den Geist aufgab und die gesamte Befestigung erneuert werden musste, fiel Josephine Josephs auf der einhundertfünfundvierzig Meilen langen Etappe von Albany nach Syracuse weiter zurück. Dann verlor sie einen halben Tag zwischen Syracuse und Buffalo, als ein Zylinder des Antoinette-Motors explodierte.
Isaac Bell erinnerte sie daran, dass nicht nur sie im bisherigen Verlauf des Rennens mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Drei Aeroplane waren bereits aus der Konkurrenz ausgeschieden. Eine große Voisin hatte mit einem Weidezaun Bekanntschaft gemacht und
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