Todesspiel
Sicherheitsprobleme. In einer E-Mail-Datei stieß ich auf mehrere hundert Beschwerden und Anfragen, wie sie bei einem Bürosystem typisch sind: Fragen zu Ethernet-Verbindungen, verloren gegangenen E-Mails, Verteilerlisten, Passwort-Änderungen, Upgrades bei der Ausstattung.
LuEllen kam zurück, mit einem Coke in der Hand, suchte nach ihrer Sonnencreme. Es versammelten sich immer mehr Leute am Pool, und sie beabsichtigte, vom Einfach-nur-Daliegen zum Zurschaustellungsmodus überzugehen.
Als sie gerade wieder gehen wollte, stieß ich auf eine Goldader: eine Datei mit Fotos und Kurzfilmen, von denen wir zwei bereits im TV gesehen hatten – die militärische Exekution und den rassistisch auslegbaren Bole-Film. Nichts jedoch über das Norwalk-Virus.
»Das sind Bobbys Dateien«, sagte LuEllen. »Da haben wir’s …«
Wir gingen die Fotos und Filme durch, richteten uns nach den Titeln. John, der zeitlebens in der Politik tätig gewesen war, zeigte sich fasziniert. »Mit diesem Zeug kann man einen unglaublichen Schaden anrichten«, sagte er mit einer eher ehrfürchtigen Stimme. »Einige der größten Arschlöcher im Kongress wären erledigt … Wenn das Zeug wirklich echt ist.«
»Wie kommt es in Carps Computer?«, fragte LuEllen.
»Muss von Bobbys Laptop überspielt worden sein«, sagte ich. »Ein Backup oder so was, bevor er sich mit den anderen Dateien beschäftigt hat.«
»Okay«, sagte John, sah mir weiterhin über die Schulter. »O Gott, schau dir das an! Der Mann da ist doch Regierungsmitglied, oder?«
Wir redeten noch eine Weile über die möglichen Auswirkungen der Fotos. LuEllen meinte, sie seien geradezu revolutionär, aber John schüttelte den Kopf. »Man kennt doch die Bücher zu dem Thema: Jemand findet Christi Leichnam, und damit ist das Ende des Christentums gekommen; oder jemand entdeckt, dass der Präsident der USA es mit kleinen Jungen treibt, und daraus entwickelt sich ein Atomkrieg«, sagte er. »Aber das ist natürlich alles Quatsch. So einfach ist das nicht. Zeug wie das da ruiniert Karrieren, es beeinflusst womöglich für einige Zeit den Lauf nationaler Dinge, aber das Weltgeschehen geht weiter.«
»Du bist ein Optimist«, sagte LuEllen. »Ich gehe jetzt wieder an den Pool. Da oben hat sich eine ganze Horde Texaner versammelt.«
»Welch ein Segen«, sagte John. »Das darf man sich natürlich nicht entgehen lassen …«
Ich beschäftigte mich wieder mit dem Computer, und John brachte seine Arbeit an den Papieren zu Ende. Eine halbe Stunde später, nachdem der Papierstapel erheblich geschrumpft war, sagte John: »O Mann …« Er hielt ein Blatt Papier hoch, schüttelte den Kopf, reichte es dann mir. Es war die Rechnung einer Telefongesellschaft über Reparaturarbeiten an einem Zuführungskabel, und sie war an Mr. Robert Fields gerichtet. Mit vollständiger Anschrift natürlich. »Die hat Carp aus Bairds Aktenschrank mitgehen lassen«, sagte ich.
»Ja, so war’s wohl«, bestätigte John.
LuEllen kam zurück, glühend vor Hitze, schaffte ihr bikinibekleidetes Selbst ins Badezimmer, um sich zu duschen und anzuziehen, und als sie zurückkam, machte sie den Fernseher an. Kurz darauf, nachdem sie von Oprah zu CNN umgeschaltet hatte, sagte sie: »Guckt euch das an.«
Die Norwalk-Virus-Story explodierte: Der Präsident höchstpersönlich sicherte seinem Staatsvolk eine vollständige und schonungslose Untersuchung zu. Wenn der so genannte Test tatsächlich stattgefunden habe, sagte er, würden sich die Verantwortlichen vor Gericht verantworten müssen. Er fügte hinzu, der Regierung lägen jedoch keine Beweise für einen solchen Test vor, und er äußerte die Vermutung, bei dieser »vermeintlichen Enthüllung« könne es sich um die neue Variante eines Terrorangriffs handeln, der darauf abziele, das amerikanische Militär zu diskreditieren und die Finanzmärkte zu erschüttern.
»Jetzt wird’s hässlich«, sagte John.
Ich wandte mich wieder der Arbeit am Laptop zu. In einer Datei mit der Bezeichnung Carly fand ich dreizehn abgespeicherte Briefe von Carp an eine Frau. Die chronologisch ersten waren freundschaftliche technische Ratschläge zum Ausdrucken von Fotos einer Digitalkamera. Dann wurden die Briefe allmählich persönlicher, und Carp versuchte schmeichelnd, die Frau zu einem Treffen zu überreden. Das klappte anscheinend nicht. Eine Datei namens Linda enthielt sechs Briefe von Carp an eine andere Frau mit derselben Absicht. Zwei weitere Brief-Dateien, Shannon und Barb , waren im
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