Todestanz
fragte Clare.
»Edmund Harries. Er hat das Bild aufgenommen, genau wie die im Flur. Und auch die von Yasmin, die Sie in Shazias Wohnung gesehen haben.«
»Arbeitet er irgendwo in einem Studio?«, fragte Clare. »Er scheint ein Gefühl fürs Tanzen zu haben.«
»Eigentlich kennt ihn jeder als Mister Henry. So nennen
ihn alle. Er arbeitet als Pianist in der Ballettschule. Bestimmt sind Sie ihm dort begegnet?«
»Groà und dünn, mit einem eigenartigen Gang?«
»Genau der. Er war zu seiner Zeit auch Tänzer. Er hat oft extra für Calvaleen gespielt, damit sie proben konnte. Für Yasmin auch. Er liebte die Mädchen, er nannte sie engeltjie. Er hat so viel Zeit für die kleinen Mädchen geopfert.«
Clare lehnte das Foto auf Calvaleens Schreibtisch gegen die Wand.
»Er war meiner Tochter ein wahrer Freund. Mister Henry würde verstehen, was leiden heiÃt, hat Calvaleen mir mal erzählt. Wahrscheinlich mochte auch Yasmin das an ihm.«
Clare verlieà das abgedunkelte Haus und blinzelte, als Latisha ihr die Haustür öffnete. Dann, nachdem der Wachmann die Schranke angehoben hatte, bog sie ab in Richtung Stadt.
Sie dachte an Mister Henry und seine GroÃzügigkeit und sein Verständnis.
Mister Henry und seine zusätzlichen Proben.
Mister Henry, der die Zettel einsammelte und alles über die Mädchen wusste.
Zweiundfünfzig
Während der Fahrt in die Stadt rief Clare Madame Merle an. Ja, erwiderte sie knapp, sie und Mister Henry hätten die Schule gegen siebzehn Uhr dreiÃig verlassen. Ja, Henry sei zurückgeblieben und hätte abgeschlossen. Nein, sie wisse nicht, um welche Uhrzeit er weggefahren sei. Hatte Clare nicht daran gedacht, ihn das persönlich zu fragen? Ja, er hatte mehrere Therapien absolviert. Und ja, es war ihm nicht erlaubt,
mit einem der Mädchen allein zu bleiben. Keine persönlichen Gründe, das war eine feste Schulregel.
Der nächste Anruf galt Riedwaan, aber unter der Nummer, die er ihr gegeben hatte, war niemand zu erreichen. Ãngstlich probierte sie es auf seinem Handy, das sofort auf die Mailbox schaltete. Genau wie Ritas Festnetzanschluss und ihr Handy. Clare brauchte mehr Kaffee, und sie musste nachdenken. Auf der Roeland Street hatte nur die Buchhandlung geöffnet. Sie bestellte einen verlängerten Espresso an der Bar am Ende der Regalreihen und brütete über dem Foto einer feenhaften Calvaleen.
Erneut studierte sie die Notizen, die sie sich am Samstagmorgen gemacht hatte, und seine Antworten. Er war fahrig gewesen. Aber war das nicht ganz natürlich, nachdem ein Kind in seiner Obhut verschwunden war? Sie fuhr den Laptop hoch. Studierte eine Liste von Männern, die Rita Mkhize durchleuchtet hatte. Henry Harries â Mr Henry â stand darauf. Aber kein Edmund Harries. Ihr Schnitzer. Darum hatte sie beim ersten Mal nicht aufgehorcht. Clare wurde es eng um die Brust.
Sie googelte nach Edmund Harries. Nichts, nicht einmal in Facebook. Sie durchsuchte ihre eigenen Datenbanken. Nichts. Falls er je unter diesem Namen verurteilt worden war, hatte es nicht in der Zeitung gestanden.
Clare probierte es erneut bei Riedwaan.
Ritas Stimme.
»Ich muss mit Riedwaan sprechen«, sagte Clare ungeduldig. »Wo steckt er? Warum geht er nicht ans Telefon?«
»Special Director Ndlovu hat ihn gerade verhaftet«, sagte Rita. »Wegen Körperverletzung zum Nachteil eines Polizisten und Widerstandes bei der Festnahme. Er hat mir sein Handy zugesteckt, weil er nicht wollte, dass Ndlovu seine Anruflisten durchforstet.«
»Was für eine ScheiÃe«, ereiferte sich Clare. »Sie haben ihn verfolgt â und zwar ohne Haftbefehl. Wie zum Teufel kommt sie auf Körperverletzung? Und wo haben sie ihn überhaupt verhaftet?«
»Sie haben beobachtet, wie er mit einer Prostituierten gesprochen hat. Die haben sie später aus einer Bar gezerrt und so lange aus dem Verkehr gezogen, bis sie ihnen erzählt hat, dass er sich in ihrer Wohnung versteckt. Und was die Körperverletzung angeht â in der Anzeige steht, einer ihrer Männer hätte sich die Schulter ausgekugelt.«
»Wahrscheinlich ist er im Dunkeln gestolpert«, sagte Clare. »Das hat überhaupt nichts mit Riedwaan zu tun.«
»Das ist Salome Ndlovu egal. Jeder weiÃ, dass Riedwaan manchmal mit den Fäusten spricht. Darum sperrt sie ihn ein, und dann steht das Wort ihres
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