Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
wir beide gleich stark – aber es ist natürlich schwer zu sagen. Sie können es gerne weiter versuchen, aber Sie werden sich nur verausgaben. Ich habe jahrelang geübt, unempfindlich dagegen zu sein.«
»Ich werde nicht zulassen, dass Sie das tun«, fauche ich. Mein rechtes Auge beginnt zu zucken.
»Ich weiß nicht, wie Sie mich davon abhalten wollen.« Sie lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück. »Nicht, ohne jedes Mädchen im Kloster zu opfern – oder einen offenen Krieg zwischen der Bruderschaft und der Schwesternschaft zu riskieren.«
Die Magie kocht unter meiner Haut, reißt an meinen Fingerspitzen. Ich kämpfe den Frust nieder und verschränke die Arme über meinem gekräuselten pfirsichfarbenen Oberteil. »Was erhoffen Sie sich denn damit zu erreichen? Ihnen muss doch klar sein, dass Sie auf diese Weise eine neue Schreckensherrschaft herbeiführen.«
Inez befingert die Brosche an ihrem Hals. »Wir sind schon auf halbem Wege dorthin, Miss Cahill. Ich werde nicht dastehen und nichts tun, während wir verfolgt werden. Ich habe die letzten zwanzig Jahre damit verbracht, Cora dabei zuzusehen, wie sie sich duckt und den Brüdern dient. Sie ist zufrieden damit, wenn Veränderung im Schneckentempo stattfindet. Ich beschleunige die Dinge einfach nur.«
Mir fällt die Kinnlade herunter. »Sie wollen eine neue Schreckensherrschaft. Sie wollen, dass die Brüder zum Schlimmsten greifen, damit wir im Vergleich zu ihnen gut dastehen! Sind Ihnen die ganzen Mädchen, die in der Zwischenzeit leiden müssen, denn vollkommen egal? Was ist mit den Mädchen in Harwood?« Mir fällt das hübsche indisch aussehende Mädchen mit der Platzwunde und dem blauen Auge wieder ein und die kleine Sarah Mae, die Vögel auf dem Friedhof vergräbt, und das Mädchen, das denkt, es wäre mit einem Prinzen verheiratet. Sie werden diejenigen sein, die die Hauptlast hiervon tragen müssen.
»Jeder Krieg fordert seine Opfer.«
Ich drücke mir die Fingerknöchel in die brennenden Augen. Wie kann sie nur so gefühllos daherreden? »Es müssen auch einige Hexen unter ihnen sein. Wollen Sie die alle aufgeben?«
»Cora hat diese Mädchen bereits aufgegeben.« Inez zuckt mit den Schultern. »Ihre Schwester hat mir von Ihrem unbesonnenen Plan, sie zu befreien, berichtet. Ich glaube nicht, dass die Mädchen den Aufwand wert sind. Ich habe Wichtigeres zu tun.«
Ich nicht. Diese Mädchen sind nicht entbehrlich. Jedenfalls nicht für mich.
Frustriert werfe ich die Hände in die Luft und gehe zur Tür.
»Machen Sie nichts Dummes, Miss Cahill«, warnt mich Inez. »Oder jemand, den Sie lieben, wird darunter zu leiden haben.«
Ich gehe zu Cora. Bestehe darauf, sie zu sehen. Nachdem Gretchen mich einen Moment betrachtet hat, gibt sie nach. Wahrscheinlich sieht sie, wie verzweifelt ich bin. Ich kann es wohl nicht besonders gut verbergen.
»Aber nur ein paar Minuten«, stimmt sie schließlich zu, öffnet die Tür zu Coras Schlafzimmer und nimmt wieder ihren Posten vor der Tür ein.
Cora liegt auf Kissen gestützt in ihrem Himmelbett, dunkle Ringe umschatten ihre Augen. Sie sieht um eine Dekade älter aus als gestern noch. Mehr Zeit hat ihr meine Heilkraft nicht schenken können?
Ich habe den Tod im Gesicht meiner Mutter gesehen, und als ich ihn jetzt in Coras Gesicht erblicke, bin ich plötzlich wieder zwölf und vollkommen verängstigt. Ich wäre bereit, alle möglichen Dinge zu versprechen, wenn sie nur bliebe. Ich werde zuhören und eine anständige junge Dame sein, und ich werde nicht mit Maura streiten. Ich werde alles tun. Jetzt bin ich älter und weiß es besser, aber der kindliche Drang, einen Handel mit dem Tod einzugehen, sitzt tief und trifft mich mit voller Wucht. Ich ziehe die Schultern hoch und erde die Füße in dem mit Kettenstich bestickten braunen Teppich an der Türschwelle.
»Catherine«, sagt Cora mit aufgesprungenen, blutleeren Lippen. Das glänzende weiße Haar fällt ihr über die Schultern. Die grüne Überdecke ist bis zur Brust hochgezogen. »Was gibt es?«
»Ich … ich wollte Sie bloß sehen«, lüge ich.
»Zeit, uns zu verabschieden«, sagt Cora.
Ich ziehe den grün und weiß geblümten Sessel näher an ihr Bett. Alles in mir will protestieren, dass sie sich wieder erholen kann, dass dies noch nicht das Ende sein muss. Aber das ist ein egoistischer Wunsch und noch dazu eine Lüge. Ich schlucke die Worte hinunter. Sie hat Schmerzen, und sie hat ihren Frieden damit gemacht zu gehen, und ich muss sie ziehen lassen.
»Inez
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