Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
teilt. Sie trägt eine braune Reisetasche und eine Handvoll Kleider über dem Arm.
Alice lehnt sich aus der Tür. »Vergiss dein Häschen nicht«, spottet sie und wirft Vi ein zerlumptes Stofftier hinterher. »Ich weiß doch, das du ohne es nicht einschlafen kannst.«
Vi wird rot und fängt es auf. »Halt den Mund, Alice.«
Ich sehe wieder in die andere Richtung zu Tess. »Was ist denn hier los?«
Als Vi mich hört, wirbelt sie zu mir herum. »Ich ertrage es nicht länger, mit dieser Xanthippe zusammenzuleben, und da Maura sich offenbar an ihrer Gesellschaft erfreut …«
Maura richtet sich mit einem eisigen Lächeln auf den Lippen auf. »Es wird eine Erleichterung sein, endlich mit einem Mädchen meines Alters das Zimmer zu teilen.«
Tess bleibt wie angewurzelt stehen, ihre entschuldigende Haltung verwandelt sich in Zorn. »Nun, vielleicht wird es für mich ja auch eine Erleichterung sein, mit einem Mädchen zusammenzuwohnen, das nicht vor Kurzem noch versucht hat, mich zu ertränken !«
»Das war keine Absicht, und das weißt du!«, fährt Maura sie an und schubst ihren Koffer einen weiteren Schritt vor.
Tess stemmt sich die Hände in die Hüften. »Tja, vielleicht solltest du dann lernen, dich besser unter Kontrolle zu halten. Und du wunderst dich, dass die Leute dir nicht vertrauen!«
Alice erscheint wieder in der Tür. Dieses Mal wirft sie einen lavendelfarbenen Spitzenunterrock auf den Flur. »Nun, ich werde froh sein, endlich das Zimmer mit einem Mädchen von meinem Rang zu teilen. Stellt euch nur vor, ich war mit der Tochter des Kutschers befreundet! Denk nur an all die schönen Geschenke, die ich dir gemacht habe. All meine Wohltätigkeit war für die Katz.«
»Wohltätigkeit!«, schreit Vi. Als sie sich hinunterbeugt, um den Unterrock aufzuheben, fallen all ihre Kleider auf den grünen Teppich. Tess läuft an Maura vorbei und hilft ihr, sie wieder aufzusammeln. Vi greift in ihre Reisetasche und zieht ein Paar schwarzer Satinhandschuhe mit lilafarbenen Knöpfen hervor. Sie bewirft Alice damit, die sich schnell gegen die Wand drückt. »Hier! Nimm sie zurück. Ich will sie nicht mehr. Ich würde es nicht einen Tag länger mit dir aushalten – nicht für alle Diamanten auf der Welt!«
»Mädchen!« Schwester Johanna, die uns in Mathematik und Naturwissenschaften unterrichtet, kommt den Flur heruntergestürmt. »Was um alles in der Welt ist hier los? Schwester Cora ist schwer krank. Sie kann dieses Geschrei wirklich nicht gebrauchen.«
Maura schubst ihren Koffer an Vi und Tess vorbei. »Entschuldigung, Schwester«, sagt sie süßlich. »Vi und ich tauschen Zimmer. Wir sind in einer Minute fertig.«
»Tu nichts, was du hinterher bereust, Maura, bitte«, sagt Tess, und ich habe den Eindruck, dass sie damit mehr meint als nur den Zimmertausch.
Maura richtet sich auf und schnippt sich eine rote Locke aus dem Gesicht. »Du brauchst dir um mich keine Sorgen mehr zu machen, Tess. Halt dich einfach aus meinen Angelegenheiten raus.«
Kapitel 15
Wir sitzen beim Frühstück, als die Türglocke klingelt. Schwester Sophia stellt einen Teller dampfender Pfannkuchen auf unseren Tisch und eilt zur Tür. Alle im Raum halten inne. Ob das die Brüder sind? Wer sonst würde um diese Uhrzeit vorbeikommen? Lucy und Rebekah waren gerade dabei, sich in Bewegungszauber zu üben, indem sie sich ein Duell mit Buttermessern lieferten. Die Messer fallen jetzt scheppernd auf den Tisch, als sie den Zauber aufheben. Lehrbücher werden in Bibeln verwandelt. Alle Farbe entweicht aus dem Raum, als wir uns in die tristen Gewänder der Schwesternschaft kleiden. Neben mir verwandelt sich Rorys leuchtend orangefarbenes Spitzenkleid in düstere schwarze Wolle. Als sie die Umwandlung abgeschlossen hat, nimmt sie sich einen Pfannkuchen und bestreicht ihn mit Butter. Ich schiebe meinen Teller beiseite.
»Mei?« Schwester Sophia erscheint in der Tür. »Dein Bruder möchte mit dir sprechen. Er wartet im Salon auf dich.«
»Es muss wegen Li und Hua sein.« Mei schiebt ihren Stuhl zurück, ihr rundes Gesicht ist voller Sorge. »Cate, kannst du mitkommen?«
»Natürlich.« Das Geplapper am Tisch setzt wieder ein, der Raum wird von Rosa und Violett und Saphirblau erfüllt, als die Mädchen ihre Verkleidung ablegen. Rilla ertränkt ihren Pfannkuchen in Ahornsirup.
Ich unterdrücke ein Lächeln, als ich einen kurzen Blick mit Tess wechsle. Mei wird erleichtert sein zu hören, dass ihre Schwestern gesund und munter zu Hause sind. Wenigstens
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