Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
zu spät für sie sein.«
Sophia geht zur Tafel, nimmt ein Stück Kreide und schreibt in Großbuchstaben darauf: DER UNTERRICHT FÄLLT AUS . »Na dann, komm. Du auch, Mei. Ich habe noch ein extra Paar Handschuhe in der Küche.«
Nach dem Mittagessen ziehe ich Elena beiseite, um ihr den neuen Plan zu erläutern. Während wir miteinander flüstern und Elenas dunkler Haarschopf sich zu meinem blonden neigt, sehe ich, wie Maura in der Tür zum Esszimmer stehen bleibt und uns schockiert anstarrt. Sie wendet sich rasch ab, aber an der Art, wie sie die Schultern verkrampft, kann ich erkennen, dass sie bestürzt darüber ist, uns so nahe beieinander zu sehen. Es ist natürlich genau das, war ich vorausgesehen habe, aber trotzdem fühle ich mich schuldig. Ich beeile mich, Elena die nötigen Informationen zu geben, danke ihr dafür, dass sie sich von zwei Gouvernanten Hilfe hat zusichern lassen, und jage die Treppen hinauf, um mir die schwarze Tracht der Schwesternschaft anzuziehen.
Ein paar Minuten später sitzen Sophia, Addie, Mei und ich in der Kutsche und warten nur noch auf Pearl.
»Rückt zusammen. Ich komme mit«, erklärt Tess und steigt durch die offene Kutschentür. Sie schubst mich zur Seite, sodass ich Mei beinahe auf den Schoß falle. Mei bekommt es kaum mit, sie lässt traurig ihre Gebetsperlen durch die Finger gleiten, während sie leise ihr Mantra vor sich hin murmelt.
»Das tust du nicht!«, rufe ich und erhebe mich halb von meinem Platz.
»Beruhige dich, Cate«, sagt Sophia, und ich lasse mich wieder zurück auf den Ledersitz fallen. »Ich habe es ihr erlaubt. Wir sagen den Krankenschwestern, dass sie eine neue Schülerin ist, die sich für Heilkunst interessiert. Sie werden hocherfreut sein.«
Tess wirft sich die Zöpfe über die Schultern. »Sehe ich nicht entzückend aus?«
Ich mustere sie argwöhnisch. Wir sind alle in unsere grauenhaften Bombasinkleider gekleidet, aber Tess leuchtet regelrecht in ihrem schlichten, mädchenhaften Kleid mit rosafarbenen Röcken und cremeweißer Spitze an Hals und Ärmeln. Um die Taille trägt sie eine breite schwarze Schärpe. Sie sieht aus wie eine hübsche kleine Puppe, nicht wie eine mächtige junge Hexe. Es ist ebenso eine Verkleidung wie unser Schwarz der Schwesternschaft.
»Guck mich nicht so an«, sagt sie und kneift mich. »Ich kann genauso dickköpfig sein wie du. Ich will bloß Zara treffen; ich werde keinen Ärger machen. Und du hast gesagt, ich könne mitkommen.«
»Das war aber, bevor ich von unserer Extramission heute wusste«, zische ich und deute auf die Ledertasche neben mir, die mit einem Dutzend kleiner Flaschen mit zerstoßenen Rosenblättern und einem Kräuterstimulans gefüllt ist, das Schwester Sophia zusammengemischt hat und das gegen die Entzugserscheinungen der Mädchen wirken soll. »Du bist unmöglich.«
»Da solltest du dich vielleicht besser an die eigene Nase fassen«, scherzt Tess.
Mei seufzt. Ihre Finger bewegen sich immer noch über die Gebetsperlen. »Ihr erinnert mich an meine Schwestern.«
»Willst du wirklich mitkommen? Wir könnten es gut verstehen, wenn du lieber hierbleiben möchtest«, sagt Schwester Sophia sanft.
»Nein, ich kann mich ebenso gut nützlich machen. Sonst mache ich mir nur die ganze Zeit Sorgen.« Mei versucht ein klägliches Lächeln, und ich umarme sie fest. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, eine Freundin wie sie zu haben, die ihren eigenen Kummer beiseiteschiebt, um solch eine gefährliche Aufgabe zu übernehmen.
Doch während ich größtes Mitleid für sie empfinde, frage ich mich gleichzeitig, was die Unfehlbarkeit der Prophezeiungen für uns bedeutet.
»Ich bin nervös«, gesteht Tess, als wir zu Zaras Zimmer eilen. »Was ist, wenn sie mich nicht mag?«
»Alle mögen dich. Du bist schrecklich liebenswert.« Die Vorsteherin und die Krankenschwestern waren, sobald Tess aus der Kutsche stieg, begeistert von ihr und ließen es sich nicht nehmen, ihr zu sagen, was für ein selbstloses Mädchen sie doch sei, sich für eine so schwierige Arbeit zu interessieren. Und sie war wunderbar mit den Aufsässigen, sogar als wir ein uns bekanntes Mädchen unter ihnen entdeckten. Mina Coste schien uns nicht zu erkennen, obwohl sie ihr Leben lang mit uns im Gottesdienst gesessen hat. Ihre braunen Augen waren leblos, ihre rotblonden Haare verknotet. Und das alles nur, weil sie sich aus dem Haus geschlichen hat, um einen Jungen zu treffen?
Wie oft habe ich schon die gleiche Strafe riskiert, um Finn zu
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