Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
unglaublich, dass ich ihn eben für kalt gehalten habe.
Ich sollte ihm sagen, dass wir nicht zusammen sein können. Ihn davon überzeugen, dass ich ihn nicht will. Es wäre sicherer für ihn, mich zu vergessen, nach Chatham zurückzugehen und ein anderes Mädchen zu finden. Ich sollte ihn dazu bringen, mich zu hassen.
Ich habe schon eine Menge Lügen erzählt, doch das kann ich nicht. Ich kann es einfach nicht.
»Erklär es mir . « Seine Worte sind abgehackt, aber seine braunen Augen suchen in den meinen nach einer Antwort. Ich bin versucht, ihm alles zu sagen. Ich möchte mich von ihm trösten lassen, mich von ihm überzeugen lassen, meine Ängste von seinen Küsse auslöschen lassen.
Als ich Finn zum ersten Mal geküsst habe und seine Lippen hungrig auf den meinen lagen, seine Hände so leicht wie Federn auf meinem Mieder, habe ich vollkommen den Kopf verloren, so sehr verzehrte ich mich nach ihm. Und dann waren in der Kammer auf einmal überall Federn: Sie waren unter meinen Füßen, schwebten über den Stapeln verbotener Bücher und verfingen sich in Finns unordentlichen Haaren.
Sogar jetzt summt die Magie durch meine Haut, erregt von dieser verrückten Mischung aus Angst und Schuld und Liebe und Scham, die mich durchfährt. Erregt durch Finns Körper, nur Zentimeter vor mir. Er ist der Einzige, für den ich jemals so empfunden habe, der mich halb toll macht vor Verlangen.
»Wenn ich die verkündete Schwester bin, dann bin ich es den anderen Mädchen schuldig. Den anderen … Hexen.« Obwohl wir in dem nächtlichen Garten alleine sind und nur der Wind um uns tobt, senke ich die Stimme beim letzten Wort.
»Und was ist mit dem, was du mir schuldest? Oder dir selbst?« Er lässt die Schultern sinken. »Das bist nicht du, Cate. Du hier in New London, bei der Schwesternschaft – das ist doch nicht, was du willst, oder jedenfalls ist es nicht das, was das Mädchen, das ich liebte, gewollt hat. Aber vielleicht habe ich auch alles falsch verstanden.«
»Nein!«, platze ich heraus, schockiert von dem Zweifel in seiner Stimme. »Ich bin immer noch das gleiche Mädchen.«
»Was hat sich dann geändert? Ich habe von Brennas Prophezeiung gehört. Die Brüder suchen nach dir. Sie werden nicht aufgeben, ehe …« Er stockt, doch wir wissen beide, wie der Satz endet. Ehe ich tot bin . »Oder ist es das? Hast du Vorhersehungen? Du hättest es mir sagen sollen. Du hättest dich mir anvertrauen können …«
»Ich weiß«, unterbreche ich ihn. »Ich habe noch keine Vorhersehungen gehabt.«
»Was ist es dann? Haben sie gedroht, deinen Schwestern etwas anzutun?« Seine Stimme wird weicher, aber der Blick hinter den Brillengläsern ist ungeduldig.
»Nein.« Sie wollten mich, nicht Maura oder Tess. Ich habe sie angefleht, Maura mitzunehmen und mich zu Hause zu lassen, damit ich mich um Tess kümmern könnte. Schließlich war es auch das, was Maura wollte, und dadurch wäre sie von Elena fortgekommen. Aber sie lehnten ab. Sie sagten, eine Hexe meines Kalibers gehöre in die Schwesternschaft.
Bei der Erinnerung daran schaudert es mich.
»Mutter hat extra unseretwegen die Buchhandlung aufgegeben. Das war ihr Lebenswerk. Der Traum meines Vaters. Ich bin der Bruderschaft beigetreten, obwohl ich sie aus tiefstem Herzen verabscheue. Das habe ich für dich getan, und dann bist du einfach gegangen, als wäre … als wäre nichts gewesen!« Finn ist bei den letzten Worten lauter geworden, und jetzt dreht er sich von mir weg und umklammert die Eisenpforte.
»Es tut mir leid.« Doch die einfache Entschuldigung wird nicht genügen. Ich vergrabe die Hände in den Taschen, weil ich sonst dem Drang, Finn zu berühren, nicht widerstehen könnte. »Ich fand es schrecklich, dich so stehen zu lassen. Ich dachte, ich bekäme eine Gelegenheit, es dir zu erklären. Ich wollte dich niemals verletzen.«
»Das hast du aber. Du verletzt mich«, sagt er ganz offen heraus, während er sich mir wieder zuwendet und mich direkt ansieht. »Erkläre es mir jetzt. Das bist du mir schuldig.«
Ich sehe an ihm vorbei auf die vollkommen schwarzen Fenster des Klosters. »Wir sollten hier nicht so für alle Welt sichtbar herumstehen«, sage ich und führe ihn von der Pforte weg und weiter hinein in den Garten. Die Buchsbäume sind mit Raureif überzogen. Wir drücken uns in eine abgeschirmte Ecke, wo es frisch und grün und ruhig ist. Hier kommt es mir gar nicht so vor, als wären wir in einer riesigen, stetig wachsenden Stadt. Wir könnten überall
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