Toedliche Blumen
energieraubend empfunden, derart intensiv zuzuhören. Sich zu konzentrieren und gleichzeitig seelische Unterstützung zu bieten.
Als das Telefon gegen halb neun klingelte, wachte er mit einem Ruck auf. In seiner Wohnung war es inzwischen dunkel. Er stolperte über seine Sporttasche, die mitten auf dem Boden im Flur stand, machte Licht, schob die Tasche mit dem Fuß beiseite und nahm den Hörer ab.
»Hallo!«
»Hallo?!«, erwiderte er unsicher, weil er nicht genau einordnen konnte, wer anrief.
Es war doch jedes Mal eine Wohltat, wenn sich die Leute mit Namen meldeten.
»Hier ist Astrid.«
»Ach ja. Hallo«, sagte er mit etwas mehr Elan. Vielleicht war sie in der Zwischenzeit auf etwas Wichtiges gekommen. »Wie geht’s?«
»Na ja, so einigermaßen«, antwortete sie und klang etwas unentschlossen. »Nicht gerade blendend.«
»Nein, aber das hat ja auch seinen Grund.«
»Ich wollte einfach nur ein bisschen reden.«
Ihr Ton war mädchenhaft, und er wurde etwas unruhig, weil er vermutete, dass sie jeden Moment in eine Kindersprache verfallen könnte.
»Ach so«, sagte er. »Wollten Sie etwas Bestimmtes loswerden?«
»Vielleicht stör ich ja auch?!«
»Äh, nein … aber …«
»Es tut einfach gut, Ihre Stimme zu hören«, kicherte sie.
»Das freut mich«, bedankte er sich höflich, während seine Energie wieder schwand.
»Sie haben sich heute übrigens prima geschlagen«, sagte er dann etwas engagierter.
»Danke. Dann bin ich ja beruhigt.«
»Ja, das können Sie wirklich sein.«
Stille.
»Na, dann leg ich mal wieder auf«, sagte sie plötzlich.
Hinterher wunderte er sich, was sie eigentlich auf dem Herzen gehabt hatte.
Allgemeine Nachrichten, Mittwoch, 10. April
Waschküchenmord noch nicht aufgeklärt
Der Mord an der 72-jährigen Frau , die am vergangenen Freitag in einem Haus im Stadtteil Väster schwer misshandelt wurde , ist noch nicht aufgeklärt . Die Frau war noch am Leben , als man sie fand , starb jedoch am Samstag an den schweren Schädelverletzungen , die man ihr zugefügt hatte .
Am Freitagnachmittag alarmierte eine 25-jährige Frau die Polizei und berichtete , dass sie ihre ältere Nachbarin mit schweren Kopfverletzungen in der Waschküche ihres Hauses gefunden hätte . Die 25-Jährige war in die Waschküche gekommen , um ihre Wäsche zu waschen . Zu dem Zeitpunkt lebte die ältere Frau noch , doch sie verlor kurz darauf das Bewusstsein . Sie wurde unmittelbar in ein Krankenhaus gebracht und wenig später zur Spezialbehandlung in die neurochirurgische Klinik in Linköping verlegt . Ihre Verletzungen erwiesen sich als lebensgefährlich . Die 72-Jährige starb am folgenden Tag .
Der Pressesprecher der Polizei , Jan Lundin , bestätigt , dass der Frau Schläge auf den Kopf zugefügt worden waren . Bisher hat man die Mordwaffe nicht gefunden . Auch das Motiv ist noch unklar . Es wurde eingeräumt , dass aufgrund der Lage der Waschküche innerhalb des Gebäudes Konflikte unter den Hausbewohnern entstanden waren . Nachbarn hatten sich über den Lärm beschwert und darüber , dass gewisse Bewohner nicht die vorgeschriebenen Waschzeiten respektierten und die Maschinen bis spät in die Nacht hinein liefen .
» Es ist schrecklich , wenn so etwas im eigenen Haus passiert «, sagt der Vorsitzende der Mietervereinigung , Sigurd Gustavsson . Gleichzeitig betont er , dass der Konflikt um die Waschküche nicht von dem Ausmaß war , das diese entsetzliche Form der Gewalt erklären könnte . » Das Verhältnis der Nachbarn untereinander ist im Großen und Ganzen entspannt . Das Gebäude ist äußerst gepflegt . Wir tun , was wir können , um alle Betroffenen zu beruhigen «, versichert Sigurd Gustavsson .
Die befragten Bewohner bestätigen , dass sie sich in der Hausgemeinschaft sehr wohl fühlen . Doch angesichts des Vorfalls sind die Nachbarn natürlich sowohl traurig als auch beunruhigt und hoffen , dass die Polizei den Schuldigen so schnell wie möglich findet , damit sie eine Erklärung für das Geschehene erhalten .
» Es soll ja nicht so weit kommen , dass wir einander schräg angucken «, sagt ein Nachbar . » Deswegen ist es besonders wichtig , die Hintergründe der Tat zu erfahren .«
Alle Nachbarn berichten nur Gutes über die Verstorbene , die allein gewohnt hat . Die Frau erfreute sich bester Gesundheit und besaß ein gutes Verhältnis zu den anderen Bewohnern .
» Sie lebte nicht isoliert «, sagt Sigurd Gustavsson . » Wir kümmern uns umeinander . Noch an dem Tag , als sie
Weitere Kostenlose Bücher