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Tödlicher Mittsommer

Tödlicher Mittsommer

Titel: Tödlicher Mittsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viveca Sten
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wirkt.«
    »Du hast vollkommen recht«, sagte Thomas. »Laut gerichtsmedizinischem Befund hätte das Rattengift allein nicht ausgereicht, aber es gab zusätzlich irgendeine Form von Gewalt gegen ihren Kopf, und die hat eine tödliche Hirnblutung ausgelöst.«
    »Das erklärt die Sache«, sagte Henrik. »Wenn Blutungen im Gehirn aufgetreten sind und Warfarin die Blutgerinnung verhindert hat, gab es so gut wie keine Rettung. In dem Fall kann es nicht viele Stunden gedauert haben, bis sie starb.«
    Er nahm sich ein paar Chips und fuhr fort:
    »Hatte sie noch andere Symptome, außer einer nicht funktionierenden Blutgerinnung?«
    »Sie hatte auch noch einen Bluterguss an der Schläfe, der offenbar viel schlimmer aussah, als normal gewesen wäre.«
    Henrik nickte zustimmend.
    »Das passt genau zu den erwartbaren Auswirkungen. Wenn die Gerinnungsfähigkeit des Blutes gehemmt ist, fallen alle Einblutungen ins Gewebe wesentlich kräftiger aus als gewöhnlich. Das kann ziemlich schlimm aussehen.«
    Nora versuchte, die Schüssel mit den Chips vor Simons Raubzügen in Sicherheit zu bringen.
    »Rattengift«, wiederholte sie. »Was für eine ungewöhnliche Methode.«
    Henrik nickte zustimmend und trank einen Schluck Bier.
    »Andererseits ist es ziemlich leicht zu beschaffen. Wenn man ein ungeübter Giftmörder ist und keinen Zugang zu medizinischen Quellen hat, über die man an üblichere Gifte kommt, dann glaubt man vielleicht, dass es ganz einfach ist. Frag mal die Leute auf der Straße, die meisten würden wohl sagen, dass Rattengift sich ausgezeichnet für so einen Zweck eignet.«
    Thomas’ Aufmerksamkeit war geweckt.
    »Was meinst du mit üblicheren Giften?«, fragte er und beugte sich vor.
    »Arsen zum Beispiel, oder Digitalis, das aus der gewöhnlichen Fingerhut-Blume gewonnen wird. Vielen Herzkranken kann mit Digitalis geholfen werden, aber eine zu große Menge davon ist tödlich. Wenn die alten Mönche früher jemanden um die Ecke bringen wollten, bedienten sie sich für gewöhnlich des Fingerhuts, weil sein Gift so schwer nachweisbar ist.«
    Henrik verstummte, nahm noch ein paar Chips und fuhr fort:
    »Morphin wirkt nach demselben Prinzip. Ein bisschen Morphin lindert Schmerzen, eine zu hohe Dosis tötet. Es gibt viele Medikamente, die sich in tödliches Gift verwandeln, wenn sie falsch dosiert werden.«
    »Dass er Rattengift verwendet hat, würde also darauf hindeuten, dass der Mörder sich mit der Wirkung des Gifts nicht besonders gut auskannte«, sagte Margit. »Ein Amateur, mit anderen Worten.«
    »Richtig. Rattengift ist leicht zu beschaffen und sieht gefährlich aus. Aber es ist alles andere als effektiv, wenn man Erfolg haben will, um es mal so zu sagen.«
    Thomas dachte über Henriks Theorie nach.
    »Das würde bedeuten, dass wir es mit einem Täter zu tun haben, der zwar einen Plan verfolgt hat, aber nicht wusste, wie er es anstellen soll«, sagte er nach einer Weile.
    Henrik schüttelte abwehrend den Kopf.
    »Nicht notwendigerweise. Es könnte auch ein Mörder sein, der sich überhaupt keinen Plan zurechtgelegt hat. Er hat einfach genommen, was gerade zur Hand war.«
    »Du meinst, er hat das erstbeste Gift genommen, das ihm gerade einfiel?«, sagte Thomas, und in seiner Stimme schwang Skepsis mit.
    »Ja, sicher«, erwiderte Henrik. »Wenn man nicht von vornherein geplant hat, jemanden zu ermorden, sondern sich plötzlich in einer Situation befindet, in der man gezwungen ist, jemanden umzubringen, würde man dann nicht zu dem greifen, was man im Haus hat? Man nimmt, was da ist.«
    »Kann man hier draußen Rattengift kaufen?«, fragte Margit und sah Nora an.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob man es auf der Insel bekommt«, sagteNora. »Aber falls nicht, kann man es sich ja leicht aus der Stadt besorgen.«
    »Aber es ist nicht so einfach, einem Menschen Rattengift zuzuführen«, betonte Thomas. »Wie bringt man jemanden dazu, einen ganzen Teller voll blauer Weizenkörner zu essen, ohne misstrauisch zu werden? Das dürfte ja wohl unmöglich sein.«
    Nora rupfte geistesabwesend einen Grashalm zwischen den Kieselsteinen aus und zwirbelte ihn um den Finger. Sie legte die Stirn in Falten, so als versuchte sie, sich an etwas zu erinnern.
    »Ich glaube, als ich ein kleines Kind war, hat es noch flüssiges Rattengift gegeben«, sagte sie langsam. »Ich erinnere mich, dass meine Mutter es hier draußen verwendet hat, denn sie stellte die Flasche immer ganz oben auf den Küchenschrank und drohte uns damit, die

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