Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
lassen müssen, um das Possenspiel der Welt mitzumachen. Indessen ist mir's sehr lieb, daß Ihnen all Ihr Wünschen und Schmachten keinen Schaden an der Gesundheit gethan hat; denn Sie haben in Ihrem Leben nicht besser ausgesehn. Bei meiner Treu, liebster Jones! Sie könnten diesen Augenblick einem Maler zu einem Adonis sitzen.«
Es gibt gewisse Worte, die so stark reizen, daß man nach dem Ausspruche der Männer von Ehre nicht anders darauf antworten kann als mit einem Schlage. Unter den Verliebten mag es wohl auch gewisse Ausdrücke geben, die sich bloß mit einem Kusse beantworten lassen. Das Kompliment, welches die holdselige Bellaston jetzt dem Jones machte, scheint von dieser Gattung zu sein, besonders da es von einem Blicke begleitet wurde, wodurch die Dame mehr sanftes Gefühl ausdrückte als ihre Zunge zu sagen vermochte.
Jones war gewiß in diesem Augenblicke in einer der verdrießlichsten und verwirrtesten Lagen, die sich nur erdenken lassen; denn, um bei dem Gleichnis zu bleiben, das wir vorhin brauchten, die Herausforderungsformel war von der Dame ausgestoßen und Jones konnte keine Satisfaktion nehmen, ja nicht einmal so thun als ob er sie begehrte, weil eine dritte Person zugegen war und weil bei dieser Art von Zweikämpfen nach den Rittergesetzen kein Sekundant zulässig war. Da dieser Querstrich der Frau von Bellaston nicht in die Gedanken fiel, weil sie nicht wußte, daß außer ihr noch ein Weiblein im Zimmer wäre, so harrte sie ein Weilchen mit dürrem Erstaunen auf eine Antwort von Jones, welcher sich selbst der lächerlichen Figur bewußt war die er machte, in einer Entfernung stand, und weil er die erwartete Antwort nicht geben konnte, lieber gar keine gab. Man kann sich nichts Komischeres und doch auch nichts Tragischeres denken, als dieser Auftritt gewesen sein müßte, wenn er noch viel länger gewährt hätte. Die Dame hatte bereits zwei bis dreimal die Farbe verändert, war vom Bette aufgestanden und hatte sich wieder niedergelassen, derweil Jones wünschte, daß die Erde unter ihm sinken oder das Haus über seinem Kopfe zusammenfallen möchte, als ihn ein seltsamer Zufall aus einer so kitzligen Ehrensache zog, woraus ihn weder die Beredsamkeit eines [155] Cicero, noch die Staatskunst eines Macchiavell ohne Schimpf und Schande hätten ziehen können.
Dies war nichts andres als die Ankunft des Herrn Nachtigall, welcher über und über betrunken, oder vielmehr in demjenigen Zustande der Betrunkenheit war, der dem Menschen den Gebrauch der Vernunft raubt und ihm nur soeben noch den Gebrauch seiner Glieder läßt.
Madame Miller und ihre Töchter waren zu Bette, und Rebhuhn saß am Küchenfeuer und schmauchte seine Pfeife, so daß er ganz ungehindert vor Herrn Jones Kammerthüre gelangte. Diese riß er auf und wollte ohne alle Zeremonien hineintreten, als Jones von seinem Stuhle auffuhr und auf ihn zurannte, um ihn zurückzuhalten, welches er dann auch so nachdrücklich bewerkstelligte, daß Nachtigall nicht weit genug ins Zimmer kam, um sehen zu können, wer auf dem Bette säße.
Nachtigall hatte eigentlich Jones' Zimmer für diejenigen gehalten, welche er vorher selbst bewohnt hatte, er bestand also hartnäckig darauf, daß er eingelassen sein wollte, und schwur oft, er wollte sich nicht abhalten lassen, sich in sein eignes Bett zu legen. Gleichwohl brachte ihn Jones zum Nachgeben und übergab ihn Rebhuhns Händen, den das Gepolter oben seinem Herrn zur Hilfe herbeigerufen hatte.
Und nun war Jones wider Willen genötigt, wieder nach seinem Zimmer zu gehen, woselbst er eben den Augenblick, als er den Fuß hineinsetzte, die Frau von Bellaston einen Schrei, obgleich zwar keinen sehr lauten, ausstoßen hörte und zugleich sah, daß sie sich in einer so heftigen Gemütsbewegung in einen Stuhl warf, die bei einer Dame von zarter Konstruktion eine hysterische Anwandlung gewesen sein würde.
Die Dame war wirklich so erschrocken über das Geringe der beiden Männer, wovon sie nicht wußte wie es ablaufen möchte, weil sie den Nachtigall manchen Schwur thun hörte, er wolle sich in sein eignes Bett legen, daß sie sich nach dem ihr bekannten Versteckplatze flüchten wollte, den sie zu ihrer großen Bestürzung bereits von einer andern besetzt fand.
»Ist diese Begegnung auszustehen, Herr Jones?« schrie die Dame. – »Elender, niederträchtiger Mensch! – Was für ein Weibsstück ist das, dem Sie mich preisgegeben haben?« – »Weibsstück!« schrie Jungfer Honoria und stürzte in heftiger
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