Toskanische Verführung (German Edition)
»Langweilige Arbeit, hm?«
Flannery zuckte die Achseln. »Ich mag sie.« Sie musterte Dawkins scharf. »Ihr Chef. Er ist durchgeknallt, oder?«
Der Sekretär verzog keine Miene. Er zuckte, wie Flannery gerade, die Achseln und trank aus ihrem Glas. »Wieso fragen Sie?«
»Nur so«, erwiderte Flannery und grinste. »Kommen Sie, Andrew. Raus mit der Sprache. Sie kennen Ihren Arbeitgeber doch schon ein paar Jahre länger. Hat er noch alle Latten am Zaun?«
Dawkins senkte den Blick. Er schien auf der Antwort herumzukauen. »Nun«, entgegnete er schließlich zögernd, »wie will man das definieren? Er ist sicherlich exzentrisch. Und der Unfall muss ihn ziemlich aus der Bahn geworfen haben.« Er reichte Flannery das geleerte Glas und erhob sich von der Tischkante.
»Laufen Sie mir jetzt nicht davon«, beschwor ihn Flannery. »Ich bin im Begriff, das Handtuch zu werfen. Was raten Sie mir?«
Dawkins zögerte. Er sah auf seine Hände, ballte sie zur Faust, öffnete sie wieder und steckte sie dann in die Taschen seiner Jacke. »Er ist in Ordnung«, sagte er schroff. »Er hat mir einen Job gegeben und mir vertraut, obwohl ich ihn beim Einstellungsgespräch nach Strich und Faden belogen habe und er dahintergekommen ist. Ich hab die Chance zwar gebraucht, aber ich hatte sie nicht verdient.« Er verzog den Mund zu der bitteren Parodie eines Lächelns. »Ich war früher kein braver Junge, Gardner. Ganz und gar nicht.«
Flannery erwiderte seinen Blick und nickte. »Danke«, sagte sie.
»Nichts zu danken.« Er wandte sich zur Tür, zögerte wieder. »Wenn Sie mich schon so fragen: Er ist verrückt wie ein Märzhase«, sagte er, ohne Flannery anzusehen. »Aber er ist kein schlechter Mensch, Gardner. Ich lasse mir eine Menge von ihm gefallen und alle anderen hier im Haus auch. Ich schimpfe auf ihn und ich könnte ihn mit seinem verdammten feudalen Gehabe und seiner schlechten Laune manchmal zum Teufel jagen. Aber ich bleibe. Freiwillig. Wie die anderen auch.« Er warf einen Blick über die Schulter. »Und Maddalena würde sich ohne zu zögern für ihn vierteilen lassen.«
Flannery nickte nachdenklich. »Ich verstehe«, sagte sie, obwohl Dawkins Rede sie zwar verblüfft, aber nicht klüger gemacht hatte. »Danke.«
Er nickte knapp und ging hinaus.
Flannery saß zurückgelehnt in ihrem Schreibtischsessel und dachte nach. Was sollte sie tun? Es wäre wahrscheinlich mehr als vernünftig, ihren Koffer zu packen und das hier abzubrechen. Kendal würde Zeter und Mordio schreien und möglicherweise war sie einen sehr angenehmen Job und einen Freund los - aber dafür rettete sie ihren Verstand, der ihr langsam, aber sicher in der Gegenwart des verrückten Alessandro della Gherardesca abhanden zu kommen drohte.
Ihr Blick fiel auf den Bücherstapel, den sie heute noch hatte durchsehen wollen. Sie seufzte. Die Aufgabe machte ihr Freude. Es waren schöne Bücher, eine originelle Auswahl, die darauf schließen ließ, dass die Besitzer der Bibliothek nicht nach dem reinen Wert des Objektes gegangen waren, wenn sie ein Buch erwarben, sondern eher nach der Frage, ob das Werk sie interessierte. Einer von Alessandros Vorfahren musste eine Liebe für viktorianische Schauerliteratur gehabt haben - allein diese kleine Sammlung von Gothic Novels innerhalb des Bestandes würde Phil Lamont zu Freudenausrufen hinreißen. Phil war ein Büchernarr, ein echter Bibliomane, und er hatte eine ganz spezielle Vorliebe für englische Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts. Das waren die Bücher, auf die sie alle gehofft hatten. Phil würde kaufen. Kendal wäre gerettet. Und all das lag in ihrer Hand.
»Also gut, ich bleibe«, sagte sie laut.
21
Alessandro stand in der Halle. Sein verschatteter Blick hellte sich um eine Winzigkeit auf, als er sie erblickte, und er kam mit langen Schritten auf sie zu. »Gardner, kommen Sie mit«, sagte er ohne Einleitung. »Ich muss telefonieren und brauche Sie dazu.«
Flannery konnte ein Auflachen nicht unterdrücken. »Sie brauchen mich zum Telefonieren?«, fragte sie. »Und wieso gehen Sie davon aus, dass ich außer meinem Job, an dessen Erfüllung Sie mich ja heute Morgen so überaus charmant erinnert haben, noch irgendetwas für Sie zu tun gewillt bin?«
Er blieb abrupt stehen und musterte sie wie ein seltsames Insekt. »Nun zieren Sie sich nicht«, sagte er. »Kommen Sie, kommen Sie. Ihr amerikanischer Kunde möchte uns besuchen.«
»Wie bitte?« Aus lauter Verblüffung folgte Flannery dem Grafen. »Phil Lamont
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