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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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bleiernen, traumlosen Schlaf. Ihre Glieder waren zu schwer, um sich zu bewegen. Ross’ ängstliche Stimme kam vom Fußende des Bettes.
    »Mum?«
    »Mhm«, machte sie und drehte sich von dem Licht weg, das durch den Spalt im Vorhang fiel.
    »Ich dachte, du bist vielleicht krank.«
    Irgendetwas stimmte nicht, sie fühlte sich eingeengt. Sie versuchte, sich aufzusetzen, und merkte, dass sie noch Rock und Kostümjacke trug.
    »Es ging dir nicht gut, als du gestern Abend nach Hause kamst«, sagte Ross. »Ich wusste nicht, was du hast.«
    Sie blinzelte. Allmählich sah sie klarer. Ihr schläfriger Blick wanderte durch den Raum. Sie sah ihre Schuhe neben der Tür und ihre Handtasche auf dem Boden neben dem Bett. Der Inhalt – einschließlich der zwei Tablettenröhrchen – lag auf dem Läufer verstreut.
    »Wie geht es dir?«
    »Gut … Nur müde. Wie spät ist es?«
    »Erst kurz nach neun. Das ist okay. Es ist Samstag.«
    Er schaute erst die Tabletten, dann sie mit seinem fragenden Blick an, den er schon als kleiner Junge immer gehabt hatte. »Was ist passiert?«
    Sie hatte keine Ahnung. Sie konnte sich nicht daran erinnern, ins Bett gegangen oder auch nur nach Hause gekommen zu sein. Vage erinnerte sie sich daran, auf der Autobahn Bristol verlassen zu haben. Ein Rüttelstreifen hatte sie aus ihrer Benommenheit gerissen, hinter ihr hatte jemand gehupt …
    »Ich komme gleich runter«, sagte sie schwach. »Gib mir noch einen kleinen Moment.«
    Sie robbte zur Bettkante und schwang ihre Beine hinaus, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Ross zog sich wenig überzeugt zurück und ging die Treppe hinunter.
    »Du könntest Kaffee machen!«, rief ihm Jenny hinterher.
    Sie brauchte ein paar Minuten unter der kalten Dusche, bis sich ihre Muskeln wieder lebendig anfühlten. Als ihr Kreislauf in Gang kam, kehrten auch die Erinnerungen allmählich zurück. Auf der Fahrt vom Pub nach Bristol hatte sie sich gut gefühlt. Sie und McAvoy hatten gelacht und Musik gehört. Nahe Bristol war sie plötzlich schläfrig geworden. Das war wohl der Alkohol gewesen, der zusammen mit den Betablockern ihren Herzschlag verlangsamt hatte. Sie hatte McAvoy vor seinem Büro hinausgelassen. Er hatte gesagt, dass sie auf sich aufpassen soll, und dann ihre Wange getätschelt. Einen Moment lang hatte sie den Eindruck gehabt, er würde sich herüberbeugen und sie küssen, aber er hatte es bei einem Blick bewenden lassen. In einem Gefühl der Hochstimmung war sie durch Clifton hindurch in Richtung Heimat gefahren. Kristallene Lichter hatten wie Sternenstaub in den Bäumen vor den Cafés und Boutiquen geglänzt, dann war alles verschwommen … Jenny hing über dem Lenkrad … Sie überquerte die Severn Bridge … Ihre Schultern schleiften an der Wand entlang, die Treppe hoch, Ross hinter ihr her.
    Zurück im Schlafzimmer zog sie einen Pullover über dieBluse, als sie plötzlich ihr Tagebuch auf dem Boden liegen sah. Aufgeschlagen neben ihrem Bett, genau dort, wo Ross gestanden hatte. Sie bückte sich und hob es mit klopfendem Herzen auf. In ungelenker Schrift stand dort das gestrige Datum, dann folgten ein paar hingekritzelte Zeilen.

    Ich weiß nicht, was heute Abend passiert ist. Dieser Mann … Irgendetwas macht er mit mir. Ich finde ihn nicht einmal attraktiv – er ist so müde, so verbraucht. Aber wenn er mir in die Augen schaut, weiß ich, dass er vor nichts Angst hat. Was bedeutet das? Warum er? Warum jetzt? Es ist, als ob
    Das letzte b war über die Seite geschmiert und ließ den Gedanken für immer unvollständig.
    Sie legte das Tagebuch in die untere Schublade ihres Kleiderschranks. Ihre Wangen waren vor Scham gerötet.
    »Was möchtest du zum Frühstück?«, rief Ross von unten hoch.
    »Toast wäre gut. Ich komme runter.« Sie holte tief Luft und sagte sich, dass es keinen Grund zur Panik gab. Er hatte das Tagebuch nicht gesehen. Er war zu besorgt gewesen, um es zu bemerken. Vielleicht hatte er die Tabletten entdeckt, aber für die hatte sie eine Erklärung – Scheidungsstress, neuer Job. Medikamente konnten helfen, vorübergehend die Belastung zu bewältigen. Jeder nahm so etwas irgendwann mal im Leben. Er würde das verstehen.
    Ross hatte Toast und Kaffee gemacht und Tassen und Teller auf dem kleinen Klapptisch arrangiert, der fast die gesamte Küche einnahm und trotzdem nur zwei Personen Platz bot. Er hatte geduscht, sich rasiert und frische Sachen angezogen – etwas noch nie Dagewesenes an einem Wochenende.
    Jenny setzte ein strahlendes

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