Totgesagt
mir den ganzen Arm aus der Gelenkpfanne gerissen. Jeder Millimeter des Nagels, jede Rille, jeder Rostfleck zerrte und riss an meinem Fleisch. Als ich Alex ins Gesicht schaute, hielt er mir den Nagel entgegen, als wollte er irgendeine Reaktion hervorrufen. Ärger vielleicht – oder das Bedürfnis nach Rache.
Ich sah ihn an, und sein Bild verschwamm vor meinen Augen.
Wieder wurde ich ohnmächtig.
David! David!
Ich kam zu mir und sah, dass er mich betrachtete, beide Nägel in seiner Hand. Dann legte er sie auf den Querbalken, nahm den Bolzenschneider herunter und legte die Hand um meinen Unterarm. Er durchtrennte die Handschellen und sah zu, wie sie auf den Boden fielen, während seine Hand meinen Arm noch immer gegen das Kreuz drückte. Dann griff er nach meinem Gelenk und ließ meinen Arm langsam nach unten sinken. Wieder zitterte ich, und meine Beine gaben nach; diesmal aber ließ er mich vornüberkippen, auf seine Schultern.
Am Fuß der Treppe legte Alex mich auf den Bauch.
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass er meinen Rücken untersuchte; er berührte ihn nicht mit den Händen, zeichnete aber mit den Fingern die Peitschenmale nach.
»Sie müssen sich aufsetzen.«
Ich schüttelte den Kopf. Ich bleibe hier liegen.
»Sie müssen sich setzen, David. Wenn Sie nicht heute Nacht hier sterben wollen, müssen Sie sitzen, damit ich Ihre Wunden bedecken kann.«
Wieder schüttelte ich den Kopf.
» Doch «, erklärte er entschlossen und drehte mich auf den Rücken.
Ich schrie auf.
Er zog mich in eine sitzende Position hoch und streifte seinen Mantel ab. Er legte ihn neben sich auf den Boden und beförderte etwas aus der Innentasche heraus. Ich ließ den Kopf nach vorn sacken und schloss die Augen. Wo ist die Tür? Ich schaute mich um, konnte sie aber nicht entdecken. Ich spürte auch nicht mehr, dass jemand bei mir war. Spürte überhaupt nichts mehr außer Schmerzen.
»Gut«, sagte Alex.
Er hockte vor mir und hielt einen langen Streifen Plastikfolie in den Händen. Er begann sie um meinen Oberkörper zu wickeln, so fest, dass ich glaubte, meine Rippen müssten jeden Moment brechen. Er ging mehrmals um mich herum und achtete darauf, dass die Folie von meinen Achselhöhlen bis hinunter zur Gürtellinie alles bedeckte. Als er mich viermal umkreist hatte, hielt er inne.
»Es wird wehtun, wenn Sie die Folie wieder abnehmen«, stellte er fest. »Aber fürs Erste wird sie den Schmerz wenigstens teilweise lindern.«
Vorsichtig nahm er meine Hand, betrachtete die Wunden dort und umwickelte dann beide Finger einzeln mit der Folie. Noch mal und noch mal, sodass von den Spitzen bis hinunter zur Handfläche alles bedeckt war.
Ich schaute ihn an. »Warum?«
»Warum was?«
»Warum bist du hergekommen?«
Er zerrte mich auf die Füße.
»Weil jemand bezahlen muss.«
Dann plötzlich verstummte die Alarmanlage.
41
Ein langer, schmaler, schlecht beleuchteter Korridor grenzte direkt an den Kreuzigungsraum. Hier sah es aus wie in einer Kaserne oder einem Bunker. Nirgends gab es Fenster, und ein Pfeil an der Wand mit der Aufschrift OBERFLÄCHE deutete nach links. Wir befanden uns unter der Erde.
Alex trug mich mehr oder weniger, wobei mein Arm schlaff über seiner Schulter hing und meine Füße wenig zum Vorankommen beitrugen. Er behielt recht: Die Schmerzen in meinem Rücken hielten sich dank der Plastikfolie in Grenzen, jedenfalls an der Hautoberfläche. Darunter fühlte es sich an, als würden Rasierklingen durch meine Venen schneiden.
Über unseren Köpfen baumelten nackte Glühbirnen an Kabeln von der Decke, und hin und wieder kamen wir an weiteren Türen vorbei. Die meisten waren geschlossen, nur ein paar standen offen. Durch eine schaute ich in einen winzigen Raum, in dem sich nichts befand außer zwei einander gegenüberstehenden Etagenbetten.
Je weiter wir vorankamen, desto dunkler wurde es im Gang. Er war fensterlos, feucht und von einem muffigen, abgestandenen Geruch erfüllt. Von den Angeln der Türen zogen sich Rostspuren die Wände hinab. Ungefähr in der Mitte des Ganges blieb Alex stehen, um zu lauschen. Über uns waren gedämpfte Stimmen zu hören. Einzelne Wörter waren kaum zu unterscheiden, und es war schwer, festzustellen, ob die Stimmen männlich oder weiblich waren. Sobald wir still standen und Alex mich einen Moment losließ, drohte ich wieder das Bewusstsein zu verlieren. Doch er holte mich in die Gegenwart zurück, indem er mich zum Weitergehen zwang.
Schließlich erreichten wir eine
Weitere Kostenlose Bücher