Totgesagt
Fowler?”
“Den habe ich schon mal erwähnt. Das ist der Mann, der an dem Abend, als mein Vater verschwand, in der Scheune unseren Trecker reparierte.”
“Erzählen Sie ein bisschen von ihm.”
“Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Er ist ein alter Junggeselle in den besten Jahren und besitzt ein kleines Haus gleich neben der Grundschule. Bis zu ihrem Tod vor ein paar Jahren wohnte seine Mutter noch bei ihm. Er führt auch die Autowerkstatt und den einzigen Abschleppdienst in der Stadt.” Dass sie auf der Suche nach Beweisen vor anderthalb Jahren in ebendiese Werkstatt eingebrochen war, ließ sie lieber unerwähnt. Sie hatte ohnehin keine finden können.
“Was berichtet er denn von dem fraglichen Abend?”
“Dass er nichts gesehen und nichts gehört hat.”
“Kann er Clays Alibi bestätigen?”
“Er kann angeben, wann Clay ging und wann er wiederkam. Mehr nicht.”
“Und Ihren Vater hat er nicht gesehen.”
“Nicht an dem betreffenden Abend.”
“Hatten Ihr Vater und dieser Jedidiah vielleicht Streit? Irgendein Problem miteinander?”
“Nein. Und niemand – weder Clay, noch Irene, noch Molly oder Grace – hat eine Auseinandersetzung oder gar eine Rauferei mitbekommen.”
Hunter schob die Kartons hin und her. “Vielleicht fahre ich mal bei ihm vorbei und unterhalte mich ein wenig.”
“Viel Glück!”, brummte sie.
“Was soll das heißen?”
“Der redet nicht viel. Selbst als Journalistin kriege ich so gut wie nichts aus ihm raus. Ich war sogar ziemlich lange absolut überzeugt, dass er meinen Vater auf dem Gewissen hat.”
“Weil …”
“… er so anders ist. Und obwohl es nie zum offenen Streit zwischen ihnen kam, hat Fowler doch nie einen Hehl daraus gemacht, dass er meinen Vater nicht ausstehen konnte. Und zwar bis heute nicht.”
“Hat er mal verlauten lassen, warum nicht?”
“Nur dass eine Stadt wie Stillwater so eine Sorte Gemeindepfarrer nicht gebrauchen könne. Mir scheint, der religiöse Anspruch meines Vaters war ihm zu puritanisch. Ist aber eher eine Vermutung.”
Hunter wandte sich wieder den Tagebüchern ihrer Mutter zu. “Gibt es noch weitere Verdächtige, von denen ich erfahren müsste? Wie war das mit diesem anderen Burschen … der wegen Drogenmissbrauch einsitzt?”
“Mike Metzger. Der hat in seinem Keller Partydrogen gemixt. Soll wohl aber jetzt auf Bewährung vorzeitig entlassen werden.”
Hunter legte die Tagebücher ab. “Wann hat er die Haft angetreten?”
“Vor fünf Jahren.”
“Und welche Verbindung hatte er zu Ihrem Vater?”
“Er und seine Familie gehörten zu unserer Kirchengemeinde. Eine Woche vor seinem Verschwinden erwischte mein Vater ihn beim Kiffen auf der Kirchentoilette und zeigte ihn an. Damals war Mike noch ein halbstarker Grünschnabel, aber inzwischen hat er einiges auf dem Kerbholz. Er hat meinen Vater auch mehrmals bedroht.”
“Wäre ihm denn zuzutrauen, dass er diese Drohungen auch wahr macht?”
“Schwer zu sagen. Inzwischen ist er bestimmt gefährlicher, als er damals war. Zum einen ist er älter, zum anderen hat er sich in der Haft nicht unbedingt gebessert. Ich habe ihm letztes Jahr mehrmals geschrieben und versucht rauszubekommen, ob er etwas mit dem Verschwinden meines Vaters zu tun hat. Nichts zu machen, nicht für Geld und gute Worte.”
“Hat er mal geantwortet?”
“Erst vor einigen Wochen. Da schrieb er mir zurück, und was er schrieb, das kam mir schon ein wenig beunruhigend vor.”
“Warum beunruhigend?”
“Die Antwort bestand aus einer einzigen Zeile.”
Da sie sich in Schweigen hüllte, wartete er geduldig ab.
“‘Hätte ich euch beide bloß umgelegt’“, murmelte sie.
Betroffene Stille folgte. “Alles nur wegen dieses Vorfalls auf dem Kirchenklo?”
Sie reagierte mit einem müden Lächeln. “Nicht ganz. Ich war später nämlich diejenige, die dauernd zur Polizei rannte und verlangte, sie solle Metzger mal genau auf die Finger gucken. Ich dachte damals, er würde vielleicht den Mord gestehen.”
“Und?”
“Sie nahmen ihn tatsächlich unter die Lupe. Er wurde bei der Herstellung von Drogen erwischt und wanderte postwendend hinter Gitter.”
“Und dafür gibt er Ihnen die Schuld?”
“Im Grunde schon. Dass er in erster Linie wegen Drogenhandels verurteilt wurde, ist für ihn wohl nebensächlich.”
“Hat er ein Alibi für den fraglichen Zeitpunkt, an dem Ihr Vater verschwand?”
“Er behauptet, er wäre auf seinem Zimmer gewesen. Seine Eltern bestätigen
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