Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre
für besondere Anlässe im Kühlschrank aufbewahrt, und sagte, als sie mir ein Glas reichte: »Stoßen wir auf den ersten Tag deiner Genesung an.«
Ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen, weshalb mir der Sekt sofort zu Kopf stieg. Ein paar Minuten lang war ich voller Optimismus, aber das ließ schnell wieder nach. Als wir wieder zu Hause waren und ich Gracie ins Bett legte, spürte ich die Furcht plötzlich wie eine kalte Hand nach meinem Herzen greifen. Würde ich mein kleines Mädchen aufwachsen sehen?
Freitag, 28. September
Kann nichts schreiben.
Samstag, 29. September
Erhielt per Post einen Termin bei Mr. Rafferty für Dienstagmorgen.
Sonntag, 30. September
Daisy, Gracie, meine Eltern und ich waren zum Mittagessen im Bear Inn.
Mrs. Golightly war auch da, zusammen mit ihrem traurigen Exemplar von Ehemann. Sie rief mir zu: »Mrs. Lewis-Masters hat sich über Ihren Besuch neulich sehr gefreut.«
Mit hochgezogenen Augenbrauen fragte Daisy: »Was für ein Besuch?«
Ich erzählte ihr von der alten Dame, und sie sagte: »Aidy, lass dich nicht schon wieder mit einer Rentnerin ein. Du musst jetzt an dich selbst denken.«
Wie üblich war das Essen grauenhaft.
Als ich mich bei Mrs. Urquhart beschwerte, dass mein Yorkshire Pudding zerbröckelt und mein Rosenkohl zermatscht sei, entgegnete sie: »Niemand hat Sie gebeten herzukommen.« Was eine einigermaßen plausible Aussage war, da mich selbstverständlich wirklich niemand darum gebeten hatte.
»Ich dachte«, sagte ich, »Sie würden meine Anmerkungen zu Ihrem Essen begrüßen.«
Woraufhin sie sagte: »Vielleicht probieren Sie mal, in einer winzigen Küche ohne Lüftung für sechzig Leute zu kochen.«
Meine Mutter nahm meinen Arm und sagte: »Adrian, du darfst dich nicht aufregen. Das ist nicht gut für deine PROSTata.«
Wird mein Leben ab jetzt so sein? Rückt meine Prostata in den Mittelpunkt?
Am Nachmittag machte ich allein einen Spaziergang. Die herbstlichen Bäume waren sensationell schön. In dem kleinen Gehölz hinter den Piggeries setzte ich mich auf den Stamm einer umgestürzten Weißbirke und rief Pandora an. Den Hintergrundgeräuschen nach zu urteilen war sie gerade in einem vollen Restaurant.
Ich fragte sie, wo sie sei.
»Ich sitze im Wagamama. Vor einer halbvollen Schüssel Nudeln.«
Ich teilte ihr mit, dass ich schlechte Neuigkeiten habe.
»Ist was mit meiner Mutter?«, fragte sie.
»Nein.«
»Lässt du dich scheiden?«
»Nein«, sagte ich. »Ich habe einen Tumor.«
»Was für einen Tumor?«, fragte sie mit zitternder Stimme.
»Prostata.«
Am anderen Ende der Leitung hörte ich sie herrisch brüllen: »Ruhe, verflucht nochmal!« Das Restaurant wurde still, und sie sagte: »Wer kümmert sich um dich?«
Ich sagte, derzeit Mr. Tomlinson-Burk, und am Dienstag hätte ich einen Termin bei einem Mr. Rafferty.
»Du kannst dein Leben nicht in die Hände von Provinzärzten legen«, sagte sie. »Ich habe Kontakte zu einigen Spezialisten in London. Ich werde mich erkundigen, morgen rufe ich dich zurück.«
Eine Weile sprachen wir noch über Unbedeutendes, dann sagte sie: »Du weißt, dass ich dich liebe, oder?«
»Ja«, entgegnete ich. »Und du weißt, dass ich dich immer noch liebe, oder?«
»Ja«, sagte sie und legte auf.
Ein kleiner Teil von mir war froh, dass Pandora wieder in mein Leben getreten war, und dass dieses eine Mal sie es wäre, die mich anrufen würde.
Liebes Tagebuch, ich werde nicht sterben, ehe ich alle sieben modernen Weltwunder gesehen habe, als da wären: die Chinesische Mauer, die jordanische Felsenstadt Petra, die Christusstatue in Brasilien, Machu Picchu in Peru, irgendeine Ruine in Mexiko, von der ich noch nie gehört habe, das römische Kolosseum und den Tadsch Mahal. Ich bin fast vierzig und war noch an keinem dieser Orte. Mir brach d er Schweiß aus, als mir bewusst wurde, dass ich möglicherweise sterben würde, ohne ein einziges Weltwunder gesehen zu haben. Hiermit, liebes Tagebuch, erhebe ich es feierlich zu meinem Lebenszweck, alle sieben abzuhaken.
Montag, 1. Oktober
Nigel hat meine Prostataneuigkeiten ebenfalls nicht gut aufgenommen. »Und dann heißt es immer, es gibt einen beschissenen Gott«, sagte er. »Also, wenn es ihn gibt, dann ist er ein totaler Mistkerl, der mich blind macht und in Afrika kleine Kinder wie die Fliegen sterben lässt.«
Barbara Boyer aus unserer alten Schule – der Neil-Armstrong-Gesamtschule – war da und feierte ihren Geburtstag. Sie ist so schön wie eh und je, was ein
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