Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)
Buch?
„Trauma und die Folgen“ – das Thema ist ja kein leichtes, und so haben Sie wahrscheinlich auch nur deshalb nach diesem Buch gegriffen, weil Sie irgendetwas mit dem Thema verbindet.
Viele Menschen interessieren sich seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001, manche schon seit dem Zugunglück in Eschede, wieder andere seit dem Erfurter Amoklauf dafür, was es bedeutet, extremen Stresssituationen ausgesetzt zu sein. Übrigens haben diese drei Ereignisse auch eine Fülle neuer Forschungen zum Thema Trauma allgemein und den Themen Terroranschläge, Katastrophen sowie Amokläufe angeregt – was typisch ist für dieses Feld: Wenn die Medien über schreckliche Ereignisse berichten oder so viele Menschen davon betroffen sind, dass die Angehörigen Interessengruppen bilden und staatliche Stellen sich zum Handeln gezwungen sehen, werden mehr Forschungsgelder auch für psychologische Diagnostik, Therapien und Forschung bereitgestellt.
Vielleicht haben Sie sogar selbst Schreckliches erlebt und wollen nun mehr darüber wissen, ob es anderen Menschen ähnlich geht und ob es neue Forschungs- und Therapieansätze gibt. Oder jemand, den oder die Sie kennen, ist betroffen, und Sie versuchen zu verstehen, was mit ihm/ihr los ist. Oder Sie sind im weiten Feld der Psychotraumatologie beruflich tätig – als Ergotherapeutin oder Pflegekraft, Ärztin oder Psychologin, Beraterin oder Pfarrerin, Physiotherapeutin oder Logotherapeutin, Wissenschaftlerin oder oder ...
Im letzteren Fall werden Sie wissen, wie mühsam es ist, konkrete Therapien und Forschungen zum Thema „Folgen von chronischer Gewalt“ finanziert zu bekommen, und zwar sowohl im Bereich ambulante wie stationäre Behandlung. Der Großteil unserer Klientel ist ja nicht Opfer von Terroranschlägen oder Amokläufen oder Zugkatastrophen geworden – sondern von Gewalt in „ganz normalen Familien“. Gewalt, die früh begann, lange dauerte und das gesamte weitere Leben der Betroffenen überschattet, sie im Extremfall zu „Drehtür-Psychiatrie-Patientinnen“ und in ambulanten Psychotherapie-Praxen zu gefürchteten „Therapeuten-Killern“ machte, da offenbar wenig von dem, was traditionelle Psychotherapie und Psychiatrie anbieten können, ihnen hilft. Gewalt, welche die weiblichen Betroffenen anfällig macht, wieder zum Opfer zu werden, und männliche, sich zum Täter zu wandeln. Jedenfalls wenn niemand eingreift, niemand hilft.
Diese Klientel hat keine Lobby – und besonders sie wird im Mittelpunkt dieses Buches und des Folgebandes stehen.
In den letzten zehn Jahren haben viele Kolleginnen, die meine Bücher über die Bedeutung von Freundschaft im Leben von Frauen 1 oder über multiple Persönlichkeiten 2 gelesen hatten, mich noch als Redakteurin bei „Psychologie heute“ (1978 bis 1983) kannten oder meine Fortbildungskurse in Traumabehandlung 3 besuchten – in jedem Fall wussten, dass ich sowohl Traumatherapeutin wie Ausbilderin und Supervisorin bin und auch noch einigermaßen schreiben kann –, mich gebeten, einmal ein verständliches Lehrbuch der Psychotraumatologie zusammenzustellen.
Ein Buch sollte es sein, das Betroffenen, Angehörigen und Professionellen gleichermaßen einen Einblick in diese komplexe Disziplin vermitteln könnte und das vor allem aus der Praxis heraus entstanden ist und nicht nur trockene Theorie verbreitet. Nachdem ich es immer wieder versprochen hatte, aber doch so sehr von der Alltagsarbeit in Beschlag genommen war, habe ich mich schließlich seit zwei Jahren an das Sammeln und Schreiben gemacht. Und als ich erst einmal wieder die Finger auf die Tasten gelegt hatte, schrieb ich und schrieb und schrieb und musste schließlich über tausend Seiten wieder auf das Wesentliche kürzen.
Jahrelang hatte ich nicht zu Papier gebracht, was ich aus diesem Arbeitsfeld berichtenswert fand, das mich nun insgesamt mehr als ein Vierteljahrhundert beschäftigt und – ja, auch fasziniert, immer noch. So wünsche ich mir natürlich, dass etwas von dieser Faszination und der Liebe für das Fach und die Menschen mindestens zwischen den Zeilen herauszulesen ist.
„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, hat Martin Buber einmal gesagt. Es gibt wohl keine intensivere Begegnung als die in der Therapie mit Menschen, die nach Erfahrungen, welche ihnen buchstäblich den Boden unter den Füßen weggezogen haben, wieder versuchen, ins Leben zurückzufinden. Oder, wie es bei vielen früh und langjährig traumatisierten Frauen und einigen
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