Traummann auf Raten
giftigen Blume. „Ich will mich nur verabschieden, weil ich jetzt ins Cottage ziehe.“ Mit unverhohlener Schadenfreude betrachtete sie Joannas blasses Gesicht. „Du siehst scheußlich aus, Süße. Und alles umsonst. Oder hast du wirklich geglaubt, Gabriel würde sich durch deinen stümperhaften Versuch, dir das Genick zu brechen, beeindrucken lassen?“
„Willst du andeuten, ich wäre absichtlich gestürzt? Das stimmt nämlich nicht. Irgendetwas hat Nutkin erschreckt. Etwas Weißes, das zwischen den Felsen nahe der Einsiedelei umherwehte.“
Cynthia verzog die Lippen. „Vielleicht noch eine weggeworfene Zeitung? Du hast eine lebhafte Fantasie, meine Liebe. Egal …“ Sie lachte perlend. „Du hast es lediglich geschafft, Gabriel in Verlegenheit zu bringen und dazu noch ein teures Pferd zu ruinieren.“
„Nutkin ist verletzt?“ fragte Joanna entsetzt. „Was ist mit ihm?“
Cynthia zuckte die Schultern. „Woher soll ich das wissen? Irgendetwas mit seinen Beinen, glaube ich. Jedenfalls kommt nachher der Tierarzt, um ihn von seinen Qualen zu befreien.“
„Nein, das darf er nicht! So schlimm kann es doch nicht sein.“ Joanna warf die Decke zurück und rutschte mühsam an die Bettkante. „Ich muss mit Gabriel sprechen.“
„Gabriel ist ausgegangen, Kleines. Offenbar konnte er es nicht mehr ertragen, imselben Haus zu sein wie du. Ich habe ihn noch nie so wütend erlebt.“ Sie inspizierte ihre makellos lackierten Nägel. „Ich könnte ihm allerdings etwas von dir ausrichten, wenn ich ihn sehe. Er will sich natürlich vergewissern, dass ich den Umzug gut überstanden habe.“
Joanna biss sich auf die Lippe. „Er muss ja dabei sein, wenn der Tierarzt kommt. Ich rede dann mit ihm.“
„Na gut, wenn du dich noch mehr demütigen willst …“ Cynthia schüttelte den Kopf. „Arme, verwirrte Joanna. Du weißt einfach nicht, wie man sich anmutig geschlagen gibt.“ Sie drehte sich um und verließ das Zimmer. Der schwere Duft ihres Parfüms hing wie eine Wolke in der Luft und verursachte Joanna Übelkeit.
Trotzig schleppte sie sich ins Bad und ließ Wasser in die Wanne einlaufen. Der Einstieg war nicht leicht, aber das heiße Wasser entspannte sie.
Anschließend trocknete sie sich vorsichtig ab und zog frische Unterwäsche an. Das erste Kleidungsstück, das ihr in die Hände fiel, war der grüne Samtmantel. Sie zuckte zusammen, als hätte sie sich daran verbrannt, und wählte stattdessen einen schlichten blauen Jogginganzug. Dann bürstete sie sich das Haar aus dem Gesicht und band es zu einem Pferdeschwanz.
„Der Doktor sagte, Sie müssen ruhen.“ Grace Ashby stoppte sie am Fuß der Treppe. „Und ich mag mir nicht ausmalen, wie Mr. Verne reagiert.“
Joanna atmete auf. „Ist er zurück?“
„Gerade gekommen. Er wollte nur kurz telefonieren, bevor er zu den Stallungen geht. Er erwartet den Veterinär.“
„Ich weiß. Aber vorher muss ich mit ihm sprechen.“
Die Tür zum Arbeitszimmer war nur angelehnt. Da sie kein Gespräch hörte, ging Joanna hinein. Gabriel stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster und schaute hinaus. Als sie eintrat, drehte er sich um, und ihr fiel ein, was Cynthia über seinen Zorn erwähnt hatte. Er strahlte eine Kälte aus, die sie frösteln ließ.
„Was willst du?“
„Ich möchte dir erzählen, was auf dem Hügel passiert ist. Warum ich gestürzt bin. Es war nicht Nutkins Schuld.“ Da er nichts darauf erwiderte, fuhr sie rasch fort: „Er hat einen Fehler, aber den könnte ich wahrscheinlich kurieren. Er scheut vor weißen, flatternden Gegenständen. Zwischen den Steinen an der Einsiedelei war etwas. Der Wind hat es aufgewirbelt und uns entgegengeweht. Das hat Nutkin Angst gemacht.“
Gabriel wirkte skeptisch. „Was war es?“
„Ich weiß nicht. Die Erinnerung ist nur vage, aber ich glaube, es war ein Stück Stoff.“
„Joanna.“ Spott und Bitterkeit schwangen in seiner Stimme mit. „Deine Schwäche für dieses Tier überrascht mich. Du scheust keine Mühe, um es zu verteidigen.“
„Ich schütze lediglich mein Eigentum.“ Sie straffte die schmerzenden Schultern. „Ich möchte, dass du dich an unsere Vereinbarung hältst und den Arzt fortschickst.“
„Nutkin ist unberechenbar. Ich habe nicht vergessen, was meinem Vater zugestoßen ist. Und heute Morgen hättest auch du getötet werden können. Obwohl es deine eigene Schuld gewesen wäre“, fügte er hinzu. „Wie konntest du nur so lospreschen?“
„Weil ich dir beweisen wollte, dass ich ihn
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