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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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alten Mann mit den wilden Haaren um. Obwohl der seine Aufmerksamkeit auf eine streunende Katze in seinem Vorgarten gerichtet hielt, hatte ich das Gefühl, dass er uns sehr genau beobachtete. Ein unheimliches Gefühl, das einen heißen Schauer über meine Brandnarbe laufen ließ, obwohl die Neugierde des alten Mannes absolut verständlich war. Vielleicht waren wir das Aufregendste, was hier seit Jahren geschehen war.
    »Entschuldigen Sie. Wohnt bei Ihnen ein Junge namens Jonah?«, rief David von der Straße aus, ohne durch den Garten näher an die Veranda zu treten.
    Der Mann reagierte nicht, und einen Moment lang fragte ich mich, ob er überhaupt noch lebte. Schließlicht hatte er sich noch nicht bewegt, während ich hinsah.
    »Ungefähr unser Alter, dunkle Haare und blaue Augen?«, präzisierte ich trotzdem und wünschte mir nahezu im selben Augenblick, ich hätte es nicht getan. Denn der Alte bewegte sich. Sehr langsam, aber so steif und ungelenk, als befände er sich noch mitten in der Totenstarre. Unheimliche, weiße Augen blickten in meine Richtung. Blinde Augen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, auf Herz und Niere geprüft zu werden.
    »Nah«, meinte er schließlich. Ein Geräusch, wie von einem rostiges Scharnier. Dann drehte er sich um und ging langsam zurück ins Haus. So als hätten wir keine Bedeutung für ihn und er uns beim Umdrehen bereits wieder vergessen. Trotzdem hinterließ sein Gehen bei mir ein so schales Gefühl im Mund, dass ich mich unwillkürlich bei David unterhakte.
    Erst dann begriff ich, was ich tat – und dass David weder zurückgeschreckt noch einen dummen Kommentar abgegeben hatte.
    »Der war wirklich unheimlich.« Im letzten Moment widerstand ich der Versuchung zu flüstern.
    David drehte sich zu mir und verdrehte die Augen. »Nur, weil du wegen Jonah das Schlimmste vermutest.«
    Nein, nicht nur. Hei, Momentmal! Wieso nur ich? Bevor ich dazu kam, diese Frage zu stellen, hatte mich David schon sanft von der Stelle gezogen und weiter zum dritten Haus. Dabei konnte ich trotz seiner beruhigenden Nähe die Blicke des alten Mannes in meinem Rücken spüren. Er beobachtete uns. Die kleinen Härchen in meinem Nacken richteten sich auf, und ein kalter Schauer lief mein Rückgrat hinab.
    »Das kann es auch nicht sein.«
    David blieb stehen, und ich stolperte beinahe, weil ich nach hinten gesehen hatte. Wann hatte ich mich umgedreht? Ich warf einen weiteren Blick zurück. An einem Fenster des seltsamen Hauses bewegten sich die Gardinen.
    »Warum nicht?« Erst, als ich meine Aufmerksamkeit wieder nach vorne richtete, begriff ich, dass das, vor dem wir standen, eine Ruine war. Mit eingeschlagenen Fenstern und ohne Tür bot das verfallene Haus nur den dunklen Schatten Unterschlupf.
    David betrat es trotzdem.
    Mit einem weiteren Blick nach hinten entschied ich mich dafür, dass ich die Schatten weniger unheimlich fand, als den alten Mann und folgte David trotz der augenscheinlichen und akuten Einsturzgefahr des Gebäudes.
    »Wow!« Im ersten großen Raum – es gab eigentlich auch gar keinen anderen – blieb ich stehen und drehte mich einmal um meine eigene Achse. Selbst der Sonnenstrahl, der durch ein fleckiges Fenster in der nicht mehr vorhandenen ersten Etage schien, wirkte staubig; die drei übriggebliebenen Stufen nach oben wie ein höhnisches Relikt.
    »Es ist aber das richtige Haus«, beharrte David. Vorsichtig scharrte er mit dem Fuß in einem Dreckhaufen und legte einen Metallgegenstand frei. Die 13 war sehr sauber und gut lesbar und schien uns zu verspotten. Ihre seltsamen, silbernen Schnörkel kamen mir irgendwie bekannt vor. Aber woher?
    »Bist du dir sicher?« Selbst ich konnte mir keinen Reim auf diesen Zufall machen. Die Bruchbude hatte nichts, nicht einmal einen Keller und wies auch sonst keine Möglichkeit auf, sich zu verstecken – geschweige denn, in ihr zu wohnen.
    David sah mich ernst an. Dieses Mal konnte ich einen Hauch Panik in seinen Augen erkennen. »Halt dich von Jonah fern!«
    »Sowieso!« DAS war nun wirklich gar kein Problem.
    Doch Davids Blick veränderte sich, wurde misstrauischer, seine Miene unlesbar … beinahe als glaubte er meiner Antwort nicht hundertprozentig. Dabei war ich doch nun wirklich die Letzte, die Jonahs Nähe suchte. Und genau so würde das auch bleiben!

    Pünktlich zur zweiten Stunde trafen wir in der Schule ein und entschuldigten uns in Rektor Simons` Vorzimmer, bevor wir uns, jeder mit einem Entschuldigungszettel bewaffnet, trennten. Der schale

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