Über den Missouri
»Ausgezeichnet! Ich habe den Transport schon arrangiert. Halten Sie sich in vierzehn Tagen bereit. Eine Erbschaft oder sonstige Versorgungen haben Sie als Tochter Ihres Vaters nicht zu erwarten. Vielleicht können Sie als Wäscherin arbeiten oder in welchem Gewerbe es Ihnen sonst zusagt …«
»Ich brauche Ihre Arrangements nicht, Capt’n.« Das Mädchen wandte den Blick von Roach ab und schaute noch einmal ringsum in den Raum, in dem sich im vergangenen Frühjahr die Szene des Verrats an dem indianischen Unterhändler und der letzte heftige Zusammenstoß zwischen Cates Vater, dem Major Samuel Smith, und Red Fox, Anthony Roach sowie dessen Gönner, dem Obersten Jackman, abgespielt hatten.
Damals hatte in diesem kahlen Raum noch kein Armstuhl gestanden. Roach hatte die Wandbank an der einen Seite des Eichentisches herausreißen lassen, um seinen Stuhl aufzustellen. Das ganze Fort schien von Roachs Tun und seinem Atem vergiftet. Sie verließ den Raum.
Der Sturm hatte etwas nachgelassen. Cate nahm das Schultertuch über den Kopf und ging über den Hof zu dem großen Tor im Palisadenring. Die Torwache ließ das Mädchen ohne weiteres hinaus. Die Wachen waren gewohnt, daß Cate täglich das Grab ihres Vaters draußen vor den Palisaden aufsuchte.
Das tat sie auch heute. Es war ein schlichtes Grab, ohne Blumen, ohne Kranz. Das Mädchen blieb bei dem Holzkreuz stehen. Ihre Schultern, ihr Kopf waren schon von Schneeflocken besetzt. Sie schaute irgendwohin. In Wahrheit sah sie ihre Umgebung nicht, sondern nur Bilder der Erinnerung an ihren Vater.
Als Tobias sie aufschreckte, waren ihre Hände kalt geworden, und sie spürte auf einmal, daß der Frost schon ihren ganzen Körper schauern ließ.
»Geht hinein, Miß Cate.« Der Kundschafter sprach wie ein älterer Bruder zu dem Mädchen. »Es gibt eine wichtige Nachricht. Heute abend komme ich zu Euch. Ihr müßt uns helfen.«
»Gut, Tobias.«
Cate begab sich wieder in das Fort in ihre Kammer. Es war die Kammer, in der ihr Vater gestorben war. Sie nahm eine Näharbeit zur Hand. Es gab noch dies und jenes zu richten, wenn sie das Fort bald ganz verlassen wollte.
Als sie des Nähens müde wurde, räumte sie die Arbeit beiseite. Sie betrachtete das Bild, das sie sich von dem Grab ihres Vaters gezeichnet hatte, und holte dann einen wohlverwahrten Brief hervor. Die Handschrift war ungelenk, aber deutlich. Es war der Brief des Rauhreiters Adams, der zu Samuel Smith gehalten und den verratenen Indianer hatte befreien wollen. Er hatte mit seinen guten Gesellen Thomas und Theo zusammen vor Roach fliehen müssen. In dem Brief stand, daß Cate auf weitere Nachricht warten sollte. Adams wollte ihr beistehen, sobald sie das Fort verlassen würde.
Der Brief war vor Monaten geschrieben. Tobias hatte ihn damals heimlich überbracht. Ob Adams auch jetzt noch an Cate dachte?
Das Mädchen holte sich neue Arbeit hervor. Der Tag schien ihr lang, weil sie wartete. Aber auch dieser Tag ging vorüber. Matt glitzernd fielen noch einige Flocken vom wolkenverhangenen Himmel zur dunkel gewordenen Erde. Cate hörte, wie die Mannschaften Essen fassen gingen, ein paar Worte und Rufe, schwere Schritte, dann wurde es ganz still. Das Mädchen hatte die Lampe nicht entzündet, sie wartete im unbeleuchteten Zimmer auf Tobias.
Endlich öffnete sich die Tür, und der Kundschafter trat lautlos ein. Er drückte sich, weitab vom Fenster, an die Wand. Cate zog den Vorhang zu.
»Was sagt Watson über den Dakota?« fragte Tobias. »Ihr müßt es mit angehört haben. Der Bodendeckel war offen. Ihr seid schon im Kommandantenzimmer gewesen, während Watson und Roach bei dem Gefangenen im Keller waren.«
»Du brauchst mir das nicht nachzuweisen, Tobias. Ich sage dir, was ich gehört habe. Warum sollte ich es vor dir verschweigen? In wenigen Tagen stirbt Tokei-ihto, wenn er gefesselt im Keller bleibt. Sie wollen ihm jetzt wenigstens wieder zu trinken geben.«
»Der Freilassungsbefehl ist da. Morris, der Maler, hat dafür gekämpft. Er kannte Harry Tokei-ihto schon als Knaben im Zelt seines Vaters. Roach will mit einem Handschreiben rückfragen, um Zeit zu gewinnen und Lügen zu verbreiten. Ich bin der Bote, und ich kenne die weißen Männer. Ein Befehl ist ein Befehl, und einen schriftlichen Befehl heben sie niemals mehr auf. Sie werden den Freilassungsbefehl bestätigen und Roach zurechtweisen.«
»Aber vorher stirbt Tokei-ihto.«
»Ein Indianer stirbt, wenn er sterben will. Cate, Ihr Vater hatte dem
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