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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Nachahmungen fremder Stücke. Das Theater fühlt mehr als alle übrigen Zweige der Literatur, das Bedürfniß einer Hauptstadt, welche die Hilfsquellen des Reichthums und der Künste vereinige: und in Deutschland ist alles noch vereinzelt. In der einen Stadt giebt es Schauspieler, in der andern dramatische Schriftsteller, in einer dritten das Publikum; aber nirgends ein gemeinschaftlicher Vereinigungspunkt. Lessing machte von der natürlichen Thätigkeit selnes Characters Gebrauch, um seine Landeleute mit einem Nationaltheater zu beschenken, und schrieb eine Zeitschrift unter dem Titel Dramaturgie , in der er die aus dem französischen übersetzten Stücke, welche vorzüglich in Deutschland aufgeführt wurden, kritisch beleuchtet: die Richtigkeit seiner Recensionen beweiset, daß er noch mehr Philosoph als Theaterkenner war.
    Lessing dachte überhaupt, wie Diderot, über die dramatische Kunst. Er war der Meinung, die strenge Regelmäßigkeit der französischen Tragödie sey ein großes Hinderniß zur Behandlung einfacher rührender Gegenstände; und um die Lücke auszufüllen, bliebe nichts übrig, als das Drama. Mit dem Unterschiede, daß Diderot, in seinen Stücken, die Ziererei der Natürlichkeit an die Stelle des Regelzwangs der Herkömmlichkeit setzte, und daß Lessings Talent wirklich einfach und natürlich ist. Er ist der erste, der den Deutschen den ehrenvollen Antrieb gab, mit eigenem Genie für das Theater zu schreiben. Die Originalität seines Gemüths zeigt sich in seinen Stücken; diese Stücke sind gleichwohl eben den Grundsätzen unterworfen, als die unsrigen; ihre Form hat nichts besonders, und obschon er sich über die Einheit des Orts und der Zeit wegsetzte, so hat er sich doch nie, wie Göthe und Schiller, zur Geburt eines neuen Systems erhoben. Minna von Barnhelm, Emilia Galotti und Nathan der Weise verdienen, vor allen Dramen Lessings, eine nähere Auseinandersetzung.
    Ein edelmüthiger, verabschiedeter Stabsoffizier, der im Kriege mehrere Wunden erhielt, wird zuletzt durch einen ungerechten Prozeß an seiner Ehre gekränkt, und will von seiner Geliebten abstehen, um sie nicht in sein Unglück zu ziehen. Dieses ist der ganze Inhalt des Stücks, Minna von Barnhelm. Mit so einfachen Mitteln hat Lessing ein großes Interesse zu erwecken gewußt; der Dialog ist voller Geist und Reiz, der Stil überaus rein, und alle Charaktere so entwickelt und klar, daß jede Schattirung ihrer Gefühle den Zuschauer so lebhaft anspricht, als das anvertraute Geheimniß eines Freundes. Die Rolle eines alten Wachtmeisters, der seinem unterdrückten Major mit Leib und Seele ergeben ist, enthält eine angenehme Mischung von Lustigkeit und Empfindsamkeit; eine Gattung, die auf allen Bühnen Glück macht, denn die Lustigkeit gefällt mehr, wenn man sie für keine Folge der Fühllosigkeit hält, und die Empfindsamkeit scheint natürlicher, wenn sie nur von Zeit zu Zeit aufblickt. In seinem Stücke hat Lessing auch die Person eines französischen Glücksritters angebracht; sie ist durchaus verfehlt; es bedarf einer überaus leichten Hand, um das aufzufinden, was in den Franzosen zur Lächerlichkeit gemacht werden kann; die meisten Ausländer haben sie plump und mit groben Zügen dargestellt, die weder eine zarte, noch eine treffende Aehnlichkeit mit ihnen haben.
    Emilia Galotti ist die römische Virginia, einer neuen ähnlichen Begebenheit angepaßt; nur sind die Gefühle für den Rahmen des Gemäldes zu stark; die Handlung ist an sich zu kraftvoll, um sie auf einen unbekannten Namen übertragen zu können. Lessing wollte sonder Zweifel seine republikanische üble Laune gegen die Classe der Höflinge auslassen; er malt con amore und mit stark aufgetragenen Farben einen von ihnen, der seinem Herrn .ein unschuldiges Mädchen verführen hilft; aber sein Marinelli ist beinahe zu schlecht und zu verworfen, um Wahrscheinlichkeit zu haben; seine Niederträchtigkeit ist nicht originell genug; man sieht, daß Lessing ihn in feindseliger Absicht also darstellte, und nichts ist für die Schönheit einer Dichtung nachtheiliger, als irgend eine fremde Absicht, die diese Schönheit selbst nicht zum Gegenstand hat. Der Charakter des Prinzen wird vom Verfasser mit größerer Feinheit durchgeführt; in seinem ganzen Betragen blicken die heftigen Leidenschaften und der Leichtsinn des Gemüths durch, die, in einem Großen vereint, so gefährlich, so verderblich werden können. Ein alter Rath legt dem Prinzen Papiere zur Unterschrift vor; es

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