Ueber Deutschland
Erinnerung an Frankreich ergreift ihr Herz.
Eilende Wolken! Segler der Lüfte!
Wer mit euch wanderte, mit euch schiffte!
Grüßet mir freundlich mein Jugendland!
Ich bin gefangen, ich bin in Banden,
Ach! ich hab' keinen andern Gesandten!
Frei in Lüften ist eure Bahn;
Ihr seyd nicht dieser Königin unterthan.
In der Ferne sieht sie einen Fischer, der den Nachen anlegt. Gleich hofft sie, dieses elende Werkzeug könne sie retten; alles trägt für sie die Farbe der Hoffnung, von dem Augenblick an, wo sie das Himmelblau sah.
Noch weiß sie nicht, daß ihr diese Freiheit zu Theil ward, damit sie der Elisabeth begegnen könne; jetzt hört sie Jagdmusik, und die Vergnügungen ihrer Jugend malen sich mit diesen Tönen vor ihre lebhafte Einbildungskraft.
Hörst du das Hifthorn? Hörst du's klingen?
Ach, auf das muthige Roß mich zu schwingen,
An den fröhlichen Zug mich zu reihn!
Das Glücksgefühl lebt von neuem in ihr auf, ohne allen Grund, ohne alles Motiv, nur weil bei bevorstehendem großem Unglück das Herz gewöhnlich neu athmet und neue Kräfte sammelt, wie der Sterbende kurz vor dem letzten Todeskampf sich augenblicklich leichter und besser fühlt.
Man meldet der Königin Maria, daß Elisabeth in der Nähe sey. Maria hatte um eine Zusammenkunft gebeten; aber jetzt ist sie auf den Augenblick nicht gefaßt, nicht vorbereitet; er ist ihr schrecklich, fürchterlich. Elisabeth erscheint, Leicester ist mit ihr; somit werden alle Leidenschaften in Maria zugleich aufgeregt. Sie hält einige Zeit an sich, aber Elisabeth reizt sie durch schnöde Verachtung, und beide feindliche Königinnen überlassen sich zuletzt ihrem gegenseitigen Hasse. Elisabeth wirft Marien ihre Vergehungen, Maria der Elisabeth ihre zweifelhafte Geburt und Heinrichs VIII. Argwohn auf ihre Mutter vor. Dieser Auftritt ist vorzüglich schön, eben weil die Wuth beide Königinnen aus den Schranken ihrer natürlichen Würde hinausrückt. Die Königinnen sind verschwunden; es sind zwei Weiber, zwei Nebenbuhlerinnen in der Schönheit, nicht in der Gewalt; die eine ist nicht Beherrscherin, die andere nicht Gefangene mehr; und obschon es in der Macht der einen steht, die andere aufs Blutgerüst zu schicken, so genießt doch die Schönste von beiden, die die Mittel zu gefallen am meisten in ihrer Gewalt hat, den Triumph, die allmächtige Elisabeth vor Leicesters Augen zu erniedrigen, sie vor den Augen des Liebhabers, der beiden so theuer ist, in den Staub zu treten.
Was dieser Lage Werth unendlich erhöht, ist die Furcht, die man bei jedem gereizten Worte empfindet, daß Marien entfährt; und von dem Augenblick an, wo sie sich von dem Strom ihrer Wuth hinreißen läßt, schaudert man bei jedem Schmähworte, dessen fürchterliche Folgen man vor Augen sieht, vor Entsetzen zurück, als wäre man schon Zeuge ihres Todes.
Als Elisabeth nach geendigter Unterredung nach London zurückgeht, versuchen die Anhänger der katholischen Parthei einen Anschlag auf ihr Leben auszuführen. Er mißlingt; Talbot, der tugendhafteste ihrer Freunde, entwaffnet den Meuchelmörder, und das Volk verlangt mit lautem Geschrei den Tod der Maria. Hier ist ein unvergleichlicher Auftritt. Der Lord Kanzler Burleigh dringt in Elisabeth, daß sie Mariens Todesurtheil unterschreibe. Talbot, der so eben die Königin vom Tode gerettet, wirft sich ihr zu Füßen, und fleht um Gnade für ihre Feindin.
Ich will die Stimme der Gerechtigkeit
Jetzt nicht erheben, jetzt ist nicht die Zeit,
Du kannst in diesem Sturme sie nicht hören.
Dieß eine nur vernimm! Du zitterst jetzt
Vor dieser lebenden Maria. Nicht
Die lebende hast du zu fürchten. Zittre vor
Der Todten, der Enthaupteten. Sie wird
Vom Grab' erstehen, eine Zwietrachtsgöttin,
Ein Rachegeist in deinem Reich herumgehn,
Und deines Volkes Herzen von dir wenden.
Jetzt haßt der Britte die gefürchtete,
Er wird sie rächen, wenn sie nicht mehr ist.
Nicht mehr die Feindin seines Glaubens, nur
Die Enkeltochter seiner Könige,
Des Hasses Opfer und der Eifersucht
Wird er in der bejammerten erblicken!
Schnell wirst du die Veränderung erfahren.
Durchziehe London, wenn die blut'ge That
Geschehen, zeige dich dem Volk, das sonst
Sich jubelnd um dich her ergoß, du wirst
Ein andres England sehn, ein andres Volk,
Denn dich umgiebt nicht mehr die herrliche
Gerechtigkeit, die alle Herzen dir
Besiegte! Furcht, die schreckliche Begleitung
Der Tyrannei, wird schaudernd vor dir herziehn,
Und jede Straße, wo du gehst,
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